Geist und Bewußtsein II

Eine Diskussion mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Gehirnforschung und KI

Helmut Walther (Nürnberg)

Teil II     Teil III     Teil IV

Neben dem auf einer eigenen Seite vorgestellten Themenkreis zu Erkenntnis und Wissenschaft unter dem Titel "Sokrates und Platon" interessierten meinen Mitdiskutanten T.R. und mich insbesondere die Fragen nach Geist und Bewußtsein, die im Mittelpunkt vieler heutiger Forschungsvorhaben stehen, sei es auf dem Gebiet der Philosophie oder der Naturwissenschaft. Insgesamt ist allen Beteiligten klargeworden, daß zur Beantwortung dieser Fragen viele bislang allein vor sich hinwerkelnde Fachbereiche sich gegenseitig ergänzend zusammenarbeiten müssen, was heute unter dem Namen "Kognitionswissenschaft" zu leisten gesucht wird. Die (sehr umfangreiche!) Diskussion versucht die in Frage stehenden Probleme zu umkreisen und überhaupt erst entsprechende Definitionen bereitzustellen sowie die bisherigen Ergebnisse der Wissenschaft zu benennen und womöglich philosophisch zuzuordnen.

Damit nimmt diese Seite meine eigenen Überlegungen zu dem hier ebenfalls vorgelegten Text "Geist und Bewußtsein I" auf. Diskussionsbeiträge der Leser zu dieser heute wohl spannendsten wissenschaftlichen und philosophischen Problematik sind sehr willkommen.

T.R.:

Beginnen möchte ich mit einem fundamentalen Überzeugungsprinzip der KI. Des weiteren folgt eine Relativierung zur Bewußtseinsbedeutung, die nicht als wissenschaftlich hinreichend fundiert genommen werden darf. Es sind fundierte Spekulationen! Es gibt keine kurze Erklärung oder Formel für Intelligenz und darum auch nicht für artifizielle Intelligenz. Ich will weiterhin auch nicht den Eindruck erwecken, daß es sich um eine Art sektiererische Glaubensgemeinschaft handelt, die nachfolgende Probleme diskutiert. Alle diese Probleme bewegen sich im Grenzbereich möglicher menschlicher Erfahrungsfortschritte.

"Etwas Seltsames liegt in der Beschreibung des Bewußtseins: Was immer der Mensch ausdrücken will, er scheint es einfach nicht klar sagen zu können. Es ist nicht so, als wären wir verwirrt oder unwissend. Vielmehr kommt es uns so vor, als wüßten wir genau, was geschieht, könnten es aber nicht richtig beschreiben. Wie kann etwas nur so nahe scheinen und doch immer jenseits unserer Reichweite bleiben?" (Marvin Minsky, Mentopolis)

Die "Organisatorische Invarianz"

Dieses Prinzip besagt, daß jedes physikalische System, das eine bestimmte gleichartige abstrakte Organisation aufweist, egal aus welchem Material es besteht, auch gleiche bewußte Erlebnisse hervorbringt.
Die bemerkenswerte Folgerung ist, daß ausreichend komplexe Maschinen im Prinzip Bewußtsein haben können.
Wir halten dieses Arbeitsprinzip für sehr interessant, doch haben wir auch einige kritische Anmerkungen.
Wir verfolgen die These, daß Leben nicht mit den Produkten des Lebens verwechselt werden darf!

Das bedeutet auch, daß die Technik nicht den Anspruch auf biologische Gleichwertigkeit erheben kann! Es ist durchaus richtig, daß die Produkte des Geistes wie Bücher, Musik, Theorien und "Sprache" allesamt auf den Geist zurückwirken und ihn verändern können. Diese Dinge stehen aber in einem Wechselverhältnis und nicht in einem Identitätsverhältnis. Sprache ist nicht Intelligenz sondern ein mögliches Merkmal.
Eine Maschine wird unter keinen Umständen biologische Verhaltensweisen und Empfindungen erzeugen. Das biologische Verhalten ist geprägt durch Überlebensstrategien und durch die Auseinandersetzung mit der Vielfalt der natürlichen Konkurrenten (auch sozialen Konkurrenten).
Maschinen entstehen selbst noch passiv und bisher willenlos und können bei beliebig hoher Komplexität auch nur beispielsweise maschinelles Bewußtsein hervorbringen. Ihnen fehlt von Anbeginn das, was biologische Systeme auszeichnet. Ihnen fehlt die gespeicherte Geschichte ihrer eigenen aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt. Damit unterscheiden sie sich hinsichtlich des Prägungsverhaltens. Viel gewichtiger jedoch ist der Einwand, daß sich Geschichte nicht wiederholt. Das gilt als hypothetischer Allsatz uneingeschränkt für die Entwicklung physikalischer und biologischer Systeme. Jede Startbedingung einer Entwicklungslinie führt bei schon leicht differenten Ausgangswerten zu sehr unterschiedlichen Entwicklungswegen. Diese empirische Vermutung wird durch die Quantenmechanik unterstützt. Es ist dabei die Unbestimmtheit von Entwicklungen wesentlich. Die Entwicklung der Technik kann somit nicht menschliches Bewußtsein erreichen. Sie kann daran vorbeigehen, was immer das bedeutet. Sie wird aber zu Zwischenergebnissen kommen, die wesentlich different von menschlichem Verhalten sein werden.
Der Mathematiker, Philosoph und Kognitionswissenschaftler David J. Chalmers, der an der Philosophischen Fakultät der Universität von Santa Cruz arbeitete, stellte vor einiger Zeit ein nicht neues Gedankenexperiment erneut vor, daß seiner Auffassung nach deutliche Indizien dafür liefert, daß Bewußtsein auch in Maschinen erzeugt werden kann.

"Tanzende Qualia in einem Synthetischen Gehirn"
Der Vorteil einer mehrwertigen Logik

Chalmers fragt, ob wir etwas anderes zu sehen beginnen würden, wenn wir sukzessive einige Bereiche des Sehzentrums am Hinterhaupt (sulcus calcarinus) durch Computerchips ersetzen würden? Die Chips sollen dabei genauso strukturiert sein und genauso funktionieren wie ihre natürlichen Analoga. Im nächsten Schritt würden dann zwischen Chips und echten Neuronen über ein Interface die Zustände hin und her geschaltet werden. Wenn wir die Frage bejahen wollen, dann müßten wir verschiedene Zustände sehen, je nachdem ob die Chips oder die Neuronen unseres Gehirns "angeschaltet" werden. (Es läge eine visuelle Qualiastruktur vor.)
Chalmers will die Frage verneinen und leitet darum aus der Bejahung einen Widerspruch her. Wenn der Widerspruch schlüssig ist, gilt die Verneinung. (reduktio ad absurdum - Beweis in Spektrum der Wiss. 2/96)
Der Beweis ist nicht wirklich schlüssig. Auch kann man das Verfahren der zweiwertigen Logik, das hier verwendet wurde, nur auf mathematische Sachverhalte anwenden, die sich nicht mit möglichen Zwischenwerten beschäftigen. Gerade in diesem Beispiel aber wird nicht nur etwas über Zwischenwerte ausgesagt, sondern noch dazu über zukünftig Mögliches.
Das Gedankenexperiment läßt nur zwei Deutungen wirklich zu. Entweder sehen wir etwas anderes oder nicht, ist die erste Deutung. Wir könnten aber auch gar nichts mehr sehen, was nichttautologisch zu "etwas anderes sehen" ist, womit wir die zweite Deutung hätten. Diese zweite Deutung wird möglich, weil die Voraussetzungen nicht stimmen. Chalmers will eigentlich präjudiziert zeigen, daß wir menschliche Intelligenz technisch kopieren könnten. Wir sind ganz entschieden nicht dieser Auffassung.

Soeben hatten wir eine kleine Abweichung von der zweiwertigen Logik unbemerkt eingeführt.
Der Urheber der Mehrwertigen Logik Lukasiewicz schreibt 1920 dazu. "Unter allen mehrwertigen Systemen können nur zwei philosophische Bedeutung beanspruchen: das dreiwertige und das unendlichwertige System. Denn werden die von "0" und "1" verschiedenen Werte als "das Mögliche" gedeutet, so können aus guten Gründen nur zwei Fälle unterschieden werden:
entweder nimmt man an, dass das Mögliche keine Gradunterschiede aufweist, und dann erhält man das dreiwertige System; oder man setzt das Gegenteil voraus, und dann ist es am natürlichsten ebenso wie in der Wahrscheinlichkeitsrechnung anzunehmen, dass unendlich viele Gradunterschiede des Möglichen bestehen, was zum unendlichwertigen Aussagenkalkül führt. Ich glaube, dass gerade dieses letztere System vor allen anderen den Vorzug verdient."
Die Mehrwertige Logik ist ein erster wichtiger Baustein für die KI.
Sie ist sehr vielschichtig und hat viele interessante Wege der Logik eröffnet. Ein Spezialfall ist die überall bekannte Fuzzy-Logik (Unscharfe Logik). Wir bezweifeln jedoch, daß ihr Bekanntheitsgrad mit dem faktischen Wissen über sie korreliert. Der Vorteil einer mehrwertigen Logik besteht darin, daß man nicht gezwungen ist, komplizierte Sachverhalte und Beziehungsstrukturen simplifiziert auszudrücken. Man kann die Logik der Situation anpassen!

In der unscharfen Logik kann ein betrachtetes Element ganz oder nur zu einem gewissen Grad einer Menge angehören. Mengen werden im Gegensatz zur Cantor’schen Mengenlehre als nicht scharf begrenzt eingeführt, was der Realität weit stärker entspricht. Der Zugehörigkeitsgrad kann als quantitatives aber auch qualitatives Maß dafür aufgefaßt werden, inwieweit ein betrachtetes Element die Eigenschaften einer unscharfen Menge erfüllt.
Chalmers erkennt aber klar, daß das Bewußtsein des Menschen nicht mit herkömmlichen physikalischen oder biologischen Gesetzen ausreichend zu beschreiben ist. Damit hat er vermutlich recht.
Darum fordert die Art des Denkens, die er unterstützt, die Erweiterung dieser Gesetze auf den Bereich der Psyche und der menschlichen Erlebniswelt, die zu einer umfänglicheren Theorie der Welt führen könnten, zu einer Theorie letztlich, die auch den Menschen mit allen Eigenschaften seines Selbst mit umfassen muß.
Diese Forderung ergibt sich aus dem Anspruch und Glauben an die Existenz einer einzigen vollständigen Theorie, die schon Einstein faszinierte und für alle zukünftigen und vergangenen Phänomene des uns Bekannten und noch Unbekannten immer schon widerspruchsfreie Erklärungen bereit hielte, die also die Geschichte des Seins bestimmt.
Diese Theorie würde demnach auch die Art und Weise, wie wir zu ihr gekommen sind, oder sie entdeckt haben, erklären. Das gibt der Physiker S. Hawking zu bedenken, der letztlich auch an solch eine Theorie glaubte, aber ihre Erreichbarkeit immer mehr bezweifelt. Letztlich sollte solch eine Theorie Voraussagen ermöglichen, die uns zu Wahrheiten führen, die uns unanschaulich bleiben müssen, da sie Sachverhalte betreffen, die außerhalb unserer alltäglichen Erfahrung sind.
Die Suche nach einer vollständigen Theorie erscheint eher als eine motivierende Losung, unter der die Wissenschaft angetrieben wird, bei ihrer Suche nach Wahrheiten nicht zu ermüden.
Wir sehen hier keine grundsätzlichen unlösbaren Probleme dabei, daß Maschinen bewußte Erlebnisse haben werden können, sondern lediglich bei der allgemeinen Benutzung des Begriffes Bewußtsein, weil er in diesem Zusammenhang ganz wesentlich menschliches Bewußtsein meint und das bestreiten wir entschieden!
Wir bestreiten dies nicht, weil uns so sehr an der Bewahrung dieses noch nicht durch erfolgreiche Theorien eroberten Bereichs menschlichen Lebens liegt, sondern vor allem darum, um eine verhängnisvolle Fehlinterpretation der Ziele und Möglichkeiten moderner Informatik aufzuzeigen. Natürlich würde sich durch eine Theorie, die unser Bewußtsein erklärt, für uns gar nichts ändern. Denn diese Theorie hätte nur eine erklärende Kompetenz. Diese Theorie könnte keine Delegation bewußter Erlebnisse ermöglichen.

Die Theorie ist kein Ersatz zur Realität. Aber im Sinne von Poppers Welt 3 kann solch eine Theorie indirekt starke Auswirkungen auf unser Bewußtsein haben.
Diese Auswirkungen sind dann aber ein Novum im Bewußtsein. Jede Theorie, die wir verstehen wollen, wird ein Novum im Bewußtsein und ist damit, weil sie durch das Bewußtsein muß, keine erklärende Kraft für das Bewußtsein.
Wir glauben, daß die Komplexität von Maschinen durchaus auf ein sehr weitreichendes Maß gesteigert werden kann. Wir denken dabei unter anderen an die Möglichkeiten der Nanotechnologie, die diesen Sprung wohl erreichen wird. Doch es ist nicht das wünschenswerte Ziel der KI, ein genau menschliches Bewußtsein hervorzubringen, das könnte nur die Geburt eines neuen Kindes und seine weitere Entwicklung schaffen. Maschinen bringen hingegen auch nur maschinelles Bewußtsein hervor. Wenn wir das Prinzip der Organisatorischen Invarianz so verstehen könnten, würde wir ihm zustimmen.
Eine wesentliche Frage, die immer wieder Anlaß zu heftigen Debatten gibt, ist die Struktur des Bewußtseins, seine Inkontinuität nicht nur im Schlaf, sondern auch im "Wachzustand" und der trügerische Schluß der Kontinuität. Das Bewußtsein wird von vielen als das eigentliche Ziel der KI verstanden. Dem ist zwar nicht so, dennoch trägt es nicht zur Transparenz dieses Themas bei, wenn man sich darum "herummogelt". Schließlich wird menschliche Intelligenz und Bewußtsein immer wieder als Synonym beschrieben. Da die KI von der menschlichen Informationsverarbeitung lernt und abstrahiert, sind Verwechslungen vorprogrammiert. Die KI entwickelt aber eigene Mechanismen, die im menschlichen Neuronenkomplex kein funktionales Korrelat haben. Ein neuronales Netz, z.B. das Hopfield-Netz, kommt nirgends in der Natur vor! Es ist ein der Natur entlehntes Modell. Das ist auch der eigentliche Grund, warum wir der Auffassung sind, daß es keine technische Kopie menschlicher Intelligenz geben wird. Die Entwicklung solcher Netze ist darum auch ganz praktischen Gesichtspunkten unterstellt: wie die Lernfähigkeit zu verbessern, die Flexibilität zu erhöhen sind usw. Hier geht es nirgends um Bewußtsein! Es sollte darum vielleicht in aller gebotenen Kürze etwas darüber gesagt werden.

Was Bewußtsein nicht ist

Wer meint, er müsse Bewußtsein bereits auf der Ebene des Protoplasmas ansiedeln, der wirft damit natürlich unwillkürlich die Frage danach auf, nach welchen Kriterien überhaupt die Rede sein kann von Bewußtsein. Wir stellen einige Behauptungen auf, die hier nur teilweise untermauert werden sollen.

  • Der Ursprung der Assoziations- oder Lernfähigkeit in der Evolution hat nichts mit dem Ursprung des Bewußtseins gemeinsam. Die Darwinsche Kontinuitätshypothese für die Evolution des Geistes ist mehr als fragwürdig und gehört in den Bereich gesellschaftlicher Mythenbildung.
  • Wir lehnen die Automatentheorie von Huxley sowie die Theorie vom hilflosen Zuschauer Spencers ab. Warum ist das Bewußtsein intensiver, wenn wir nicht handeln und verschwindet bei monotonen Handlungen, wenn es gar nichts mit dem handelnden "Automaten" zu tun hat?
  • Die Theorie des Bewußtsein als emergentes Konstrukt mag vielleicht stimmen. Doch sie hat keinen wirklich praktischen Wert, als eben dies einfach nur zu behaupten. Welches neuronale Netz war nötig, damit es entstehen konnte?
  • Wir lehnen weiterhin den Behaviorismus ab. Man stelle sich vor, wie jemand versucht sich "bewußtzumachen", daß es kein Bewußtsein gibt.
  • Letztlich muß auch die reine Suche in den anatomischen Grundlagen (z.B. Formatio reticularis oder dergleichen) als isolierter Weg abgelehnt werden. Erkenntnisse über das Nervensystem sind überhaupt nur erzielbar, wenn wir zuvor das, was wir suchen, im Verhalten finden. Die reine Beschreibung der ungeheuer großen Zahl der Nervenzellen und ihrer Verbindungen untereinander führt lediglich zur meisterhaften empirischen Schlagfertigkeit.

Von allen Seiten wird der KI vorgehalten, daß sie niemals Bewußtsein hervorbringen wird.
Wir gehen vom Gegenteil aus, daß es nämlich ab einer gewissen Stufe abstrakter Organisation nur noch eine unbedeutende Aufgabe sein wird, Bewußtsein in Maschinen zu erzeugen.
Um diese wichtige Einstellung zu erläutern, sind wir gezwungen etwas detaillierter auf das einzugehen, was von den meisten Menschen als ihr höchstes Leistungsmerkmal angesehen wird: Das Bewußtsein!
Viele Leistungen des neuronalen Systems werden als dem Bewußtsein typische Wesenheit unterstellt. Damit muß zunächst gezeigt werden, was Bewußtsein eben nicht ist!
Wenn wir nach dem Bewußtsein fragen, werden wir uns des Bewußtseins bewußt. Die Meinung, daß eben dieses, sich des Bewußtseins bewußt sein, das eigentliche Bewußtsein sei, ist ein Trugschluß!
Genau so ein Irrtum ist es, von der Kontinuität unseres Bewußtseins überzeugt zu sein. Es gibt heute noch unzählige Philosophen, die diese unterstellte Kontinuität als Ausgangsbasis der Philosophie "die Heimstatt aller unverrückbaren Gewißheiten" stillschweigend akzeptieren: "Cogito ergo sum."
Der Sprachgebrauch unterstellt sogar viele Mißverständnisse. Wenn wir sagen, jemand hätte nach einem Schlag auf den Kopf sein "Bewußtsein verloren", dann unterstellen wir folgendes Bild:
Der Patient zeigt keine Anzeichen von Bewußtsein und er reagiert nicht mehr. Das sind aber eindeutig zwei verschiedene Sachverhalte. Es gibt ja klinische Somnambulzustände, in der die Patienten zwar ihr Bewußtsein verloren haben, dennoch können sie gut reagieren. Ständig sind wir mit Reaktionsweisen beschäftigt, für die es keine Bewußtseinsrepräsentanz gibt. Gleichgewichtsregulierung, Schonhaltungen, Akkomodation der Augen, vegetative Reaktionen, Qualiavermeidung durch Subsumierung von Informationen, dadurch entsteht ein relativ schwankungsfreies Weltbild und vieles mehr.

  • Das Bewußtsein ist diskontinuierlich und erscheint nur als Kontinuum.

Es macht einen sehr viel geringeren Teil unseres Seelenlebens aus, als uns bewußt ist, da wir kein Bewußtsein davon haben, wovon wir kein Bewußtsein haben!
Genauso wie die Löcher in der Raumwahrnehmung (hervorgerufen durch den blinden Fleck auf den Netzhäuten = Eintrittspunkt des Nervus opticus) durch das Gehirn "gekittet" werden, ohne daß eine Lücke bleibt, schließt sich das Bewußtsein über seinen Zeitlöchern und gibt sich selbst den täuschenden Anschein eines Kontinuums.

  • Das Bewußtsein ist keine Kopie unseres Erlebens

Schlägt die Tür in Ihrem Zimmer rechts oder links an? Wieviele Zähne sehen sie beim Zähne putzen?
Was befindet sich alles detailliert hinter Ihnen an der Wand, ohne daß Sie sich umdrehen?
Welches ist ihr zweitlängster Finger? Was ist an der Ampel oben: rot oder grün? Wenn sie rauchen: Welche Marken liegen von links nach rechts im Automaten?

Wir erleben immer bei solchen Fragen, wie wenig im bewußten Gedächtnis tatsächlich steckt, wenn eine dieser Fragen nicht zuvor zufällig bewußt betrachtet wurde.
Würden Sie aber über Nacht plötzlich einen Zahn mehr im Gebiß haben oder einer Ihrer Finger eine abnormale Länge entwickeln, oder eine neue Marke im Zigarettenfach liegen, dann würden Sie es sofort bemerken! Es ist der der Psychologie vertraute Unterschied zwischen Wiedererkennen und Erinnerung! Das, was man erinnert, ist im Gegensatz zum Meer des faktischen Wissens nur eine Badewanne voll! Die bewußte Rekapitulation besteht meistens im Auffinden von Sachverhalten und nicht im Auffinden von Wahrnehmungsbildern!
Natürlich wollen wir nicht bestreiten, daß man bei genügend Konzentration auch die erlebte Umgebung "sehen" kann. Dabei entsteht aber immer ein Moment der schöpferischen Phantasie, die unsere Vorstellungen in einen kausalen Zusammenhang zu bestimmten überhöhten Teilaspekten stellt.
Sie sehen nie dasselbe! Diese Tatsache nennt man Narrativierung. Sie beruht auf Fehlern! Man kann es auch Kreativität nennen, Bewahrung und Hinzufügung.
Wenn Sie sich erinnern, tritt eine fremde Person in einem fremden Stück auf. Erinnern Sie sich wie Sie sich das letzte mal so richtig öffentlich blamiert haben? In ihrer Erinnerung ist es etwas völlig anderes! Es werden bestimmte Aspekte überbetont, andere hingegen weggelassen oder verändert.
Das bemerken Sie erst, wenn Sie das Erlebte mit anderen Personen zusammen sprachlich erinnern.

  • Bewußtsein ist nicht essentiell für Begriffsbildungen

Alle Lebewesen, behaupten wir, haben einen Begriff von den sie interessierenden Sachverhalten.
Es ist hingegen die große Leistung der menschlichen Sprache, für einen Begriff ein Wort zu setzen.
Begriffe jedoch kommen im Bewußtsein überhaupt nicht vor, sonst müßten wir nicht über Begriffsverhältnisse reden und schreiben.

  • Bewußtsein ist nicht notwendig für das Lernen

Sowohl assoziatives Lernen als auch Geschicklichkeitslernen vollziehen sich am effektivsten ohne Einfluß des Bewußtseins. In diesen Formen wirkt es sogar manchmal äußerst störend!
Das Bewußtsein führt uns lediglich an die Aufgabe heran. Im Zen wird das Bogenschießen so gelehrt, daß der Schütze sich nicht als handelnder Mensch begreifen soll, der den Bogen spannt, sondern er lernt, daß der Bogen sich selbst spannt und der Pfeil sein Ziel selbst sucht. Er wird auf die Reise geschickt.
Das Lösungslernen (instrumentales Lernen oder operande Konditionierung) kommt nicht immer ohne Bewußtsein aus. Viele Typen dieses Komplexes jedoch eindeutig schon, wenn bestimmte Versuchspersonen keine Kenntnis vom Ziel des Experimentes hatten. In einer Psychologievorlesung wurden die Studenten beauftragt, allen Frauen auf dem Campus, die rote Sachen trugen, unauffällig Komplimente zu machen. Nur eine Woche später war die Cafeteria ein Meer von Rot und keine der Damen war sich bewußt, daß sie manipuliert worden war.

  • Bewußtsein ist nicht notwendig zum Denken

Wenn wir der Tatsache nicht ablehnend gegenüber stehen, daß "Urteilen" zum Denken gehört, so muß man einfach zur Kenntnis nehmen, daß der Vorgang des Urteilens niemals bewußt wird. Erst das Ergebnis des Vorgangs tritt als Urteil ins Bewußtsein. Das Ergebnis aber, das Urteil selbst, ist nicht Denken sondern Wahrnehmung von Sachverhalten wie o.g.
Viele Versuche (Marbe, H. J. Watt) haben das zweifelsfrei belegt. Die sogenannten gelenkten Assoziationsversuche waren entwickelt worden, um dem Denken doch noch zu seinem von uns fälschlich angenommenen Platz im Bewußtsein zu verhelfen.
Werden wir aufgefordert eine Lösung zu entwickeln (wir können uns auch selbst beauftragen), so beginnt dies demnach mit einer Instruktion über das gewünschte Problem oder Assoziationsfeld. In einfachen Fällen kommen wir sofort zu einer Konstruktion.
Betrachten wir eine Reihe geometrischer Figuren!

O II O II O ?

Welche Figur kommt als nächste? Sobald sie die Instruktion haben, kommt sofort die Konstruktion oder die Lösung! Wie sind Sie aber auf die Lösung gekommen? Wenn wir uns mittels Selbstbeobachtung daran schicken, unsere Lösung als prozessive Wesenheit im Bewußtsein zurechtzulegen, machen wir in Wirklichkeit etwas gänzlich anderes. Wir geben uns selbst eine neue Struktion (Instruktion + Konstruktion), die uns als Reflexionsmatrix für eine erfundene Geschichte von der Lösung des obigen Problems dienlich ist. In dieser Weise generieren wir astronomisch komplexe Gebilde, die in jeder Sekunde in unserem Gehirn hunderttausende Assoziationsbeziehungen (nicht Abbildbeziehungen) hervorrufen. Sie alle entstehen ohne Bewußtsein und einige interessante Lösungen werden im Bewußtsein repräsentiert. Nicht der Vorgang des Denkens wird bewußt, sondern nur sein Ergebnis (eventuell). Was letztlich im Bewußtsein als eine verbogene und erfundene Färbung des Realen tatsächlich repräsentiert wird, wird durch eine innere Bewertungsrichtlinie entschieden.
Es ist überhaupt nicht klar, welche Struktur solch eine Richtlinie erfüllt. Wir wissen von ihr nur, daß sie sich ständig verändert. Es ist darum ein Ansatz der KI, solche Strukturen versuchsweise technisch zu manipulieren. Es gibt einige gute Anwärter für dieses Projekt.

  • Das Bewußtsein ist nicht notwendig für Vernunfttätigkeit

Vernunfttätigkeit oder schlußfolgerndes Denken und Logik verhalten sich zueinander wie Gesundheit und Medizin bzw. wie Verhalten und Moral.
Das eine umfaßt natürliche Denkvorgänge und das andere Vorschriften wie wir denken müssen, wenn wir Wahrheit oder Annäherung an sie als Ziel unterstellen.
Der wichtigste Grund, warum wir Logik überhaupt brauchen, ist der, daß das Schließen zum überwiegenden Teil völlig unbewußt geschieht. Der Wissenschaftler aber, der sich mit einem Problem konfrontiert sieht und bewußte Induktion und Deduktion auf dieses anwendet, gehört in den Bereich der Legenden. Wir könnten viele Beispiele erwähnen, wo brillante Ideen gänzlich unvorbereitet plötzlich durchbrachen. Selbstverständlich liegt sehr viel Denkarbeit im Vorfeld solcher bewußten Einfälle. Und vor der Denkarbeit kommt das Integrieren von Wissensbeständen, die eine solche unbewußte Tätigkeit, wie Urteile herzustellen, ermöglicht.

Die Irrtümer über Bewußtsein sind oft irreführende Versuche der Metapherbildung.
Alles was bisher gesagt wurde, dient uns lediglich dazu, das Bewußtsein einzugrenzen, und nicht dazu es zu leugnen. Es ließen sich nun ebenso klar auch die tatsächlichen Eigenschaften des Bewußtseins herausarbeiten.

  • Die Spatialisierung: die Schaffung eines inneren handlungstragenden Vorstellungsraumes
  • Die Exzerpierung: die Überhöhung von Einzelaspekten, die fürs Ganze stehen
  • Das Ich (qua Analogon): die handlungslose Vorstellung unserer möglichen Handlungen
  • Das Ich (qua Metapher): die weitergehende handlungslose Distanzierung vom Ich qua Analogon
  • Die Narrativierung: die Einbindung unserer Quasihandlungen in Kausalzusammenhänge der spatialisierten Zeitstruktur
  • Die Kompatibilisierung: das Analogon der Assimilation für die Bewußtseinsstruktur. Anpassung von Wahrnehmungsobjekten an erworbene Schemata. Wir passen Exzerpierungen oder Narrativierungen einander an.

Insgesamt kann man sagen, daß das Bewußtsein ein Operator ist. Nichts ist im Bewußtsein, was nicht Analogon von etwas wäre, das zuvor im Verhalten war, um Lockes bekannte Formel zu variieren.

Das Bewußtsein ist ein Analogieoperator!

Wenn das Bewußtsein nichts anderes ist als eine Analogwelt auf sprachlicher Basis, wenn wir das Bewußtsein nicht metaphorisch verklären und mystisch überhöhen, dann können wir es auch fassen. Dazu gehört aber eine hochkomplexe Basis, die den Wissenschaftlern mehr Kopfzerbrechen bereitet als der Umstand, daß Maschinen bewußte Empfindungen haben sollen!
Das Bewußtsein wird ein geringeres Problem sein, hat man erst einmal eine hoch organisierte technische abstrakte Struktur.
Wir vermuten, daß es sich beiläufig einstellen wird. Indem wir die Emergenz möglicher Entwicklungen akzeptieren, lehnen wir sie (die Emergenz wie o.g.) als Erklärung für Bewußtsein ab! Nicht jedoch für die Entstehung von Bewußtsein. Der Ursprung des Bewußtseins ist ein ganz anderes Gebiet, über das sich sehr viel sagen läßt.

Ansätze generativer Theorienbildung in Maschinen

Es sollen keine Theorien über Intelligenz diskutiert werden. Wir wollen nur bemerken, daß die Intelligenz von Maschinen bezweifelt wird, so sehr man ihre Leistungen auch bewunderte, sobald man dahinter kommt, welche Regeln oder Algorithmen ihr Denken lenken.
ELISA ist ein Programm, daß sich wie ein Psychotherapeut äußert. Das Programm stellt Fragen und der Patient gibt Antworten ein. Alle Versuchspersonen waren erstaunt, wie treffend ELISA ihre Situation verstehen konnte. Als man ihnen jedoch zeigte, welche Prinzipien dahinter steckten, waren sie von der Intelligenz des Programmes nicht mehr überzeugt.
Der Maßstab von Intelligenz sind wir also momentan selbst und damit genug.
Man sollte alles so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher! (Albert Einstein)
Solange man keine Ahnung vom Ganzen hat, kann man sich aus den Einzelteilen keinen Reim machen. (Marvin Minsky)
Das Problem der Intelligenz ist nicht einfach und doch müssen wir zunächst Teilaspekte verstehen lernen, die uns eine Vorstellung vom möglichen Ganzen geben.

Logik in der Medizin

Anläßlich einer Diplomarbeit begannen wir, intensiver darüber nachzudenken, wie menschliches Entscheidungsverhalten durch technische Systeme unterstützt, simuliert und kritisch begleitet werden kann. Es sollte die theoretische Grundlage eines Expertensystems konzipiert werden, das den Medizinern eine Möglichkeit böte, die im einzelnen unübersehbaren Interaktionen zwischen den verschiedensten verschreibungsfähigen Medikamenten schnell als Konstrukt aus Warnhinweisen, Gegenanzeigen, biochemischen Wechselwirkungen und Gegenanzeigen zu berücksichtigen und eventuell angepaßte Alternativpräparate vorschlagen.
Es stellte sich heraus, daß dieses Thema völlig zu kurz griff. Es mußten natürlich auch sämtliche Vorerkrankungen der Patienten in diese technische Entscheidung der Medikamentierungsempfehlung einbezogen werden. Denn ein Patient mit Niereninsuffizienz oder Diabetes hat andere Ausgangskonstellationen für die Bewertung seiner spezifisch möglichen Medikamentierung zu einem anderen medizinischen Problem. Des weiteren wies uns Prof. Fröhlich (Uniklinik Hannover – Lehrstuhl Pharmakologie) darauf hin, daß wir (selbstredend!) eine Dosisanpassung einbeziehen müßten, die sich abhängig vom Alter, dem Geschlecht und dem Körpergewicht relativiert. Nun gibt es aber Medikamente, die unter einer bestimmten Dosis unwirksam werden. So nimmt auch die physische Konstellation einen selektiven Einfluß.
Nachdem wir vor Anmeldung der Arbeit bereits ein Jahr probiert hatten, wie alle Faktoren in ein theoretisches Konzept passen könnten, immerhin mit dem Hintergedanken, das Ganze ja auch noch programmieren zu müssen, kam uns ein entscheidender Gedanke. Er wurde ausgelöst durch ein Gespräch mit dem Leiter der Pharmakologie der Universität in Greifswald, Prof. Sigmund.
Er beschrieb uns ein ähnliches Projekt, das seit Jahren erfolglos mit den Unikliniken in Oslo und Stockholm lief. Sie hatten bereits eine riesige Datenbank. Doch deren Medikamentierungsempfehlungen sagten schon "halt" oder "nicht geben", wenn ein Allgemeinmediziner nicht die geringsten Bedenken geäußert hätte. Die Datenbank war für die individuelle Situation zu sensibel. Sie gab bereits Warnhinweise aus, wo gar keine praktischen menschlichen Bedenken vorkamen. Ihre Entscheidungsregeln waren zu eng gestrickt. Wir führten die Idee ein, hier doch eine spezielle Logik zu verwenden, die dem Problem angepaßt wäre. Prof. Moraga (KI Lehrstuhl Uni Dortmund) fand die Idee einleuchtend.
Die Logik der Wahl war die Fuzzy-Logik. Warum? Sie genau kann Probleme der unscharfen Mengen exakt behandeln. Sie führt nicht wie viele meinen, zu unscharfen Ergebnissen, sondern zu exakten Ausgabewerten, die einer weiteren Verarbeitung zugeführt werden können.
Es handelt sich nämlich um unscharfe Begriffe, wenn wir von Niereninsuffizienz reden, oder von Herzinsuffizienz. Auch die Volksseuche Diabetes ist ein gradueller Begriff seiner Intensität.
Auch sein kausales Erscheinungsbild ist different und somit nur unscharf als Einflußfaktor einer therapeutischen Berücksichtigung hinzuzufügen, eben graduell seiner Bedeutung für den therapeutischen Beeinflussungseffekt. Spätestens hier eröffnet sich ein weiteres logisches Problem.
Wenn wir die Einflußfaktoren unscharf definieren wollen, müssen wir ein Element der Willkür zulassen, denn die Gewichtung einzelner Faktoren muß abgeschätzt werden. Das eigentliche unbestimmte Element liegt in dieser Abschätzung. Man ist darum bemüht, Expertenwissen heranzuziehen, um diesen Akt der Willkür abzuschwächen.
Man sollte diese Einsicht nicht als Schwäche der Methode sehen, sondern als ihre Stärke.
Nichts ist unnatürlicher als die Anwendung der zweiwertigen Logik auf ein Problem der menschlichen Erfahrung.
Letztlich also war die Idee ausreichend, um eine unscharfe Logik, die es erst seit 1964 gibt und von Prof. Lotfi Zadeh (Making computers think like people) entwickelt wurde, versuchsweise auf ein unscharfes Problem anzuwenden, um die Aufgabe besser zu lösen.
Die Unscharfe Logik beruht auf unscharfer Mathematik. Auch hier gilt, daß die unscharfe Mathematik scharfe Ergebnisse hervorbringt, die nicht mit der Wahrscheinlichkeit verwechselt werden dürfen. In der Fuzzy-Logik wird ausgesagt, wie ein Element graduell beschaffen ist.
Die Zugehörigkeitsfunktion beschreibt die logische und aktuelle Partizipierung des Elementes zu seiner Theorie im Verhältnis zur Realität. Im Bereich der Neuroinformatik sind an der Uni Bochum einige interessante Dinge entwickelt worden, die ebenfalls auf den Aspekt "unscharfe Logik" zurückgehen.
Eine von der Robotronik entwickelte Optik wird auf ein verdächtiges Hautareal gehalten und der Computer gibt eine Diagnose aus, die jedoch ein zu verifizierendes Ergebnis liefert. Es sollen beispielsweise lebensgefährliche Hauterkrankungen wie das maligne Melanom erkannt werden.
Das Faszinierende dabei ist, das eine maschinelle Entscheidung zu 98% verifiziert werden konnte. Dabei wurden nicht die neuronalen Vorgänge eines Experten kopiert, sondern seine Verhaltensaspekte. Das System berücksichtigt im Falle des malignen Melanoms nur drei Regeln: Randgestaltung, Farbe und Oberflächenbeschaffenheit des verdächtigen Fleckes.
Je zackiger desto maligner, je inhomogener desto maligner und je veruköser desto maligner.
Das gleich würde ein Arzt auch zur Entscheidung heranziehen. Das "je" und "desto" wird in den Fuzzy-Sets programmiert. Die sogenannte Inferenzmaschine errechnet die Gewichtungsbeziehungen der eingegangenen Werte und gibt im Stadium der Defuzzifizierung (z.B. durch Min-Max-Operatoren) eine scharfe Ausgabe, in diesem Falle eine Diagnose, deren Fehlerquelle weit geringer liegt, als die eines Hautarztes. Das entscheidende dabei ist, daß Ärzte Regeln verwenden, deren sie sich oftmals nicht bewußt sind. Das alles macht natürlich eine Maschine noch nicht intelligent!
Sie sollte die Regeln selbst entwerfen können, wenn sie ein Spezialist sein will.

Nahziele der KI

Kumpel Anton von der Zeche Hugo würde trotz seines einmalig komplexen Aufbaus seines Gehirns, das mehr Neuronenverbindungen und Kontakte enthält als positiv geladene Teilchen im uns sichtbaren Universum, vermutlich nicht eine dieser drei Regeln in seinem ganzen Leben von sich aus erkennen. Von dieser Seite muß man Intelligenz auch sehen dürfen. Wir alle wie auch Maschinen müssen lernen können! Ein Bergbauroboter könnte mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur Kohle abbauen, sondern er könnte das abgebaute Gestein chemisch untersuchen und die Richtung des Vortriebes bestimmen, wenn er eine "Es-lohnt-sich-Strategie" hat, die wenige Regeln umfaßt. Natürlich könnte er nicht Kaffee trinken und lockere Konversation betreiben.
Doch wenn es gewünscht wird?

Die entscheidende Frage scheint zu sein, was wir von intelligenten Maschinen erwarten.
Wenn wir alle heute bereits realisierten Spezialbegabungen von Maschinen mit einer zukünftig zu erwartenden Miniaturisierung ihrer Leistungen in einem vereinen, dann hätten wir nach Meinung vieler eine hoch intelligente Maschine. Wir sind nicht dieser Auffassung! Wir hätten einen Vollidioten mit zugegeben vielen Spezialbegabungen!
Es ist bereits heute so, daß Maschinen mehr faktisches Wissen besitzen können. Können sie es auch anwenden?

Vorteile von Maschinen:

  • Maschinen sind sequentiell zehntausend mal schneller als jedes menschliche Gehirn.
  • Sie können jeden Problemraum in Echtzeit rekursiv durchsuchen.
  • Maschinen können ihre Wissensbasen effizient teilen und zusammenschließen.
  • Sie haben nicht den Nachteil, bei der Wissenweitergabe umfangreiche Lernvorgänge initiieren zu müssen.
  • Ihre Parallelisierung bei der Wissensverarbeitung ist stark steigerbar.
  • Maschinen brauchen keine Größenordnung menschlicher Verknüpfungskomplexität, da sie schneller sind!

Nachteile von Maschinen:

  • Sie können keine komplexen Strukturen speichern und von mehreren Seiten der Implikation her abrufen.
  • Sie besitzen zum Problemraum unzureichendes Wissen, um sich auf eine ähnliche bereits analysierte Struktur verlassen zu können.
  • Maschinen lernen schnell, aber sehr begrenzt! Sie können nicht vergessen!
  • Maschinen sind wenig komplex. Sie sind noch zu unselbständig.
  • Ihre Assimilationsfähigkeit ist statisch und ihr Assoziationsvermögen rudimentär.
  • Sie stellen keine Fragen, außer denen, die voraussehbar waren (und darum programmiert sind)!
  • Maschinen besitzen keine hierarchisch strukturierten Handlungs- und Entscheidungskonzepte.

Neuronale Netze: 1940 begann die Ära mit der Einführung eines theoretischen Neurons, das die Verhältnisse des menschlichen Gehirns simulieren sollte. Es nannte sich das McCulloch-Pitts-Neuron. Die Annahme dieser Richtung der Forschung, daß es ausreichen würde, nur genügend Neuronen "zusammenzudrahten" und das künstliche Gehirn sei fertig, erwies sich als falsch.
Heute sind durchaus ansehnliche, auch software-simulierte Netze auf dem Markt, die eine eindrucksvolle Lernfähigkeit aufweisen. Neuronale Netze müssen immer trainiert werden, wie auch ein Neugeborenes seine maximale Vernetzungszahl erst erwerben muß! Seine "genetische Grundverdrahtung" beschränkt sich auf Überlebensfunktionen und pauschale unspezifische Aktivität.
Neuro-Fuzzy-Systeme: Die Verknüpfung der Lernbasis in Form paralleler vielschichtiger neuronaler Netze, die Tiefen- und Breitenrepräsentation aufweisen, mit den in Dortmund entwickelten und weiter verbesserten Fuzzy-Systemen, wird Lernen und Anwenden auf spezifische Situationen verbessern. Die Dogmatik bestimmter Lerninhalte wird relativiert.
Fuzzy-Fehler-Propagation: Wenn die Umwelt sich verändert, dann werden auch die eingehenden Meßdaten in einem Fuzzy-Controler nur Unsinn produzieren, der nichts mit der Realität gemein hat.
Daher wurde eine Methode entwickelt, die eine Abweichung von der optimalen unscharfen Regelungsmenge erkennt und gegenreguliert, indem die Zugehörigkeitsfunktion des Fuzzy-Reglers beeinflußt wird. Die Bewertungsstrategie wechselt fließend.(Parallele zur inneren Bewertungsstrategie für bewußtseinswürdige Daten)
Genetische Algorithmen: Sie suchen immer nach der besten Möglichkeit, entsprechend der erteilten Direktive. Entsprechend ihres menschlichen Analogons vererben sie sich weiter und entwickeln nur Abweichungen, wenn es unausweichlich ist. Man kann eine oder mehrere Unterdirektiven festlegen oder von Neuro-Fuzzy-Reglern beeinflussen lassen. Man kann auch den Schwellenwert genetischer Algorithmen beeinflussen, um eine Direktivkorrektur zu erzielen.
Adaptive Regelung: Sie wurde für Fälle entwickelt, bei denen unklar sein muß, wann und unter welchen Bedingungen eine Bewertungsrichtlinie verlassen bzw. modifiziert werden muß. Im Prinzip sind dazu schon neuronale Strukturen in der Lage (Barto et al. 1983). Nur ihre Vorgehensweise bleibt im Dunkel. Es läßt sich nämlich nicht nachvollziehen, welche neuronale Anpassung zu einer bestimmten beobachtbaren Veränderung führte. Genau das ist der Knackpunkt bei der KI. Wir schlittern in ein Abenteuer, das wir nicht kontrollieren können!
Unser Bewußtsein, dem wir zuvor einige Kompetenz abgesprochen hatten, erweist sich genau an diesem Punkt als zu recht in die Schranken gewiesen, denn der Wille formt, das Bewußtsein folgt.

Wissenserschließung und Wissensrepräsentation

Wenn wir "Wissen" als den zentralen Punkt einer artifiziellen Intelligenz definieren, so nicht darum, um gewisse emotionale Faktoren des Menschen zu leugnen, oder deren Bedeutung abzuschwächen, sondern aus dem alleinigen Grunde heraus, weil alle Formen menschlichen Befindens und Verhaltens letztlich mit Wissen zu tun haben. Angst, die sich zur Panik steigern kann, Zuneigung, die in exzessives Verhalten führen kann, dies alles hat sicherlich mit Wissen zu tun, dessen regulative Bewertungsrichtlinie ständig verschieblich ist. Es ist letztlich eine sprachliche Problemstellung, wie wir derart komplexe und archaische Wissensmuster repräsentativ fassen. Damit beschäftigen sich Neurologen und Hirnforscher gleichermaßen intensiv. Die Grenzen der sprachlichen Analyse und die Grenzen der sprachlichen Wissensrepräsentation beleuchten einige Probleme, die wir in Zukunft lösen müssen, um die KI voran zu bringen. Menschen haben bestimmte Schwierigkeiten bei der Analyse geschachtelter Sätze, die sprachlich korrekt sind. "Das ist das Malz, das die Ratte, die die Katze, die der Hund verbellte, tötete, fraß."
Maschinen hingegen verstehen nicht per se assoziatives Wissen und metaphorische Implikationen der menschlichen Sprache. Hier regt sich oft der eigentliche Skepsisanspruch verschiedener Kritiker der KI, die nicht sehen wollen, daß hier "lediglich" ein Problem der Repräsentanz von Wissen zu Grunde liegt und kein mythisch begründeter unauflösbarer Vorteil menschlicher Wissensrepräsentation.
Maschinen kann man menschliches Wissen nur als Aufreihung singulärer Sätze vermitteln, da sie keine Situationsengramme speichern, sondern Fakten und Regeln, wie sie Wissen anwenden sollen.
Maschinen können aber selbst eigene Situationsengramme herstellen, bei der Wissensketten portioniert werden und sogenannte Cluster bilden, die ebenfalls durch unscharfe Logik bearbeitet werden können. Es ist freilich noch ein langer Weg bis Maschinen ähnlich syntaktische Fähigkeiten aufweisen wie Menschen. Auch deren Fähigkeiten sind ja nicht vollkommen, wie folgendes komische Beispiel zeigt.

A: Heute nacht will ich wieder mit Sindy Crafford ins Bett.
B: Wieder?
A: Ja, ich hatte das Bedürfnis schon einmal.

Die Leere als Anfang der Fülle-Generationforming

Es hat sich gezeigt, daß es völlig belanglos sein kann, wenn man Maschinen bestimmte Fakten implementiert, die später nicht benutzt werden. Weiterhin hat es keinen Sinn, zu spezielle Folgerungen oder Assoziationen a priori zu implementieren. Hier taucht das Problem der unendlichen Assoziationsmengen auf, die in der Struktur der Sprache verankert sind, die man niemals programmieren kann.
Z.B.: "Vögel können fliegen, es sei denn, es handelt sich um Pinguine oder Strauße, oder sie sind tot, oder haben frakturierte Flügel, oder sind in Käfige gesperrt, oder ihre Füße stecken in Zement, oder sie haben derart schreckliche Erfahrungen gemacht, daß sie praktisch psychisch unfähig wurden zu fliegen." (M.Minsky; Mentopolis) Auf diese Weise läßt sich das, was wir eigentlich repräsentieren wollen, nicht programmieren. Darum werden leere Regelbasen probiert, die der Computer selbständig ausfüllen soll.
Die wichtigste Voraussetzung für eine intelligente Maschine und deren Entwicklung ist die Fähigkeit mit bereits intelligenten Strukturen kommunizieren zu können(Programmierer). Weiterhin muß der Rückgriff auf präformierte maschinell verarbeitbare Datenmengen gewährleistet sein, sowie eine Problemlösungs- und -erkennungsstrategie.
Ein Wissenspeicher mit einem "genetischen" Grundwissen und adäquaten Algorithmen dient als Ausgangsbasis. Aufgenommene Fakten durchlaufen parallele neuronale Netze, deren Schwellenwerte für die Durchschaltung vorgewichtet sind. Nach dem Durchlauf wird eine Ausgabe erneut vorangestellt (feed forward und back propagation), oder einer beliebigen anderen Neuronenschicht zugeführt. Die Schwellenwerte können je nach Ausgabewerten variiert werden. Damit wird ein neuronales Netz flexibler. Durch Fuzzy-Sets werden die Ausgabewerte des neuronalen Netzes erneut mit unbekannten Fakten oder Werten korreliert.
Die Fuzzifizierungsmechanismen der Inferenzmaschine arbeiten ebenfalls mit Gewichtungen. Mittels Fuzzy-Fehler-Propagation können deren Gewichtungen modifiziert werden.
Das System von Schwellenwerten und Gewichtungen linguistischer (mathematischer) Variablen oder Terme, der back-propagation-Strategien und adaptiven Regelungsmechanismen kann als Bedeutungseinheit interpretiert werden. In diesem System können unscharf unterwanderte Begriffe eine klare Bedeutung innerhalb des maschinellen Verarbeitungssystems erlangen. Schon auf dieser Stufe entstehen Zufälle und unvorhersehbare Entwicklungen. Die Bedeutungseinheit kann beliebig erweitert und ergänzt werden.
Assoziationseinheiten entstehen durch Wissensportionierung. Bestimmte Wissensmuster werden in einem Cluster zusammengefaßt und können durch Bedeutungseinheiten "angesprochen" werden. Dieses "ansprechen" geeigneter Cluster kann durch übergeordnete Theorien gesteuert sein. Wird für eine beliebige Theorie A keine geeignete Repräsentation gefunden, die mit den neuen Fakten vereinbar wäre, wird über die Bedeutungseinheit von A langsam eine Modifikation von A erreicht, indem deren Schwellenwerte und Gewichtungen reguliert werden. Dabei können überraschende Entwicklungen herumkommen.

Sehr geehrter Herr Walther! Ich wollte eigentlich nicht so viel zu Fragen des Bewußtseins schreiben, weil es da auch etliche andere Auffassungen gibt, die ich verstehen kann. Doch ich kam nicht darum herum, weil ich KI und die Frage des bewußten Geistes des Menschen nicht unverbunden lassen konnte, wie Sie sicherlich verstehen werden. Meine Darstellung der zwei Probleme, die Sie eigentlich interessierten, sind wohl etwas dürftig ausgefallen. Doch in einer Sache sind wir beide einig, denke ich. Sie sprechen von einer "wertenden Zentrale", ich von einer Bewertungsrichtlinie. Doch diese Zentrale ist nirgendwo anatomisch. Sie ist ein funktionelles Korrelat aus den Gehirnfunktionen selbst.
Sie sagen: "Solche dynamischen Leistungen, bei denen Funktion und Bewertung "reziprok", also wechselwirksam ineins gesetzt sind und sich gegenseitig vertikal höher treiben, kann ein Computer nie erbringen." Ich frage, warum nicht? Was schreckt Sie ab von diesem Gedanken? Die anatomische Struktur des Gehirns ist eine spezielle Möglichkeit, Intelligentes hervorzubringen.

H.W.:

Zuallererst stolpere ich über den Begriff des "Bewußtseins", der von Ihnen teils durch Negation, teils durch positive Phänomene beschrieben wird, aber dennoch in einer eigentümlichen Schwebe bleibt; und wiederum andererseits in m.E. oft sehr verschiedenen Nuancen gebraucht wird, die in meiner eigenen "Nomenklatur" nicht unter "Bewußtsein" subsumiert werden. Dies meint ganz gewiß keine Kritik an Ihrer Darstellung – wie auch, angesichts der Problematik dieses Begriffes!

Aber jedenfalls für meine eigenen "Bedürfnisse" und auch im Hinblick auf das mögliche Gelingen einer Kommunikation darüber scheint es mir unumgänglich, auch von meiner Seite aus zu versuchen, den Begriff im Rahmen meiner eigenen Vorstellungen zunächst einzugrenzen, was (für mich) Bewußtsein nicht ist, um sodann zu überlegen, für welche Phänomene dieser Begriff dann noch stehen mag. Am Rande möchte ich vermerken, daß ich im Moment dieses Beginnens selbst noch nicht restlos sicher bin, zu welchem Ergebnis sich dieser Versuch entwickeln wird – hier also ein weiterer Dank auch an Sie, insofern mich Ihre Darstellung dazu zwingt, hier für mich selbst ganz dezidiert nochmals von Grund auf nachzudenken. Natürlich existieren hier jahrelange Vorüberlegungen und eine gewisse "Richtung", aber weder man selbst noch die Entwicklung des Wissens der Naturwissenschaften bleiben ja stehen, und so ist mir selbst diese Gärungs- und Klärungsgelegenheit sehr willkommen.

Sie selbst verwenden den Begriff Bewußtsein in (m.E.) recht variierender Bedeutung; einerseits erscheint es als ein rein funktionaler Begriff, wenn Sie etwa menschliches und maschinelles Bewußtsein ansprechen. Dann wird es etwa als Synonym zur Intelligenz bezeichnet, oder als dasjenige, worauf der Mensch als Mensch so stolz sei (mithin diejenige Fähigkeit, die ich persönlich als "Geist" bezeichnen würde im Unterschied zum Tier). An anderer Stelle wird wiederum Bewußtsein mit Gedächtnis identifiziert – andererseits aber sei es nicht notwendig zum Denken, zur Begriffsbildung und für die Vernunfttätigkeit. Persönlich bekomme ich auf diese Weise keine "Begriffseinheit" zustande, eher schon würde ich von Widersprüchen reden.

Was also könnten wir meinen, wenn wir von "Bewußtsein" sprechen? Ein wichtiger Punkt scheint mir in dieser Hinsicht vor allem der Vergleich mit den Tieren, aber auch das Verhältnis von Leben und Anorganik zu sein; ein weiterer derjenige, was wir damit sagen wollen, wenn wir von "Bewußtlosigkeit" sprechen (Ansatzpunkte, die auch bei Ihnen einen Rolle spielen) – und daß beide Punkte durchaus direkt miteinander zusammenhängen, wird sich sogleich zeigen: Sie selbst bringen das Bild vom "Schlag auf den Kopf" und von Prozessen, für die es keine Bewußtseinsrepräsentanz gibt. Ein ebenso gutes Beispiel scheint mir vor allem auch der Schlaf zu sein – und dabei fällt sofort auf, daß selbstverständlich auch Tiere schlafen! Nun sind wir uns doch sicher einig, daß der Mensch im Schlaf nicht "bei Bewußtsein" ist, und so ist im Analogieschluß ein gleiches für die Tierwelt anzunehmen (und selbst wohl noch für die Pflanzenwelt, die ebenfalls einen deutlichen Unterschied an Reaktionen im Tag- und Nachtrhythmus zeigt). Aus dem Gesagten ergibt sich so zwanglos wie zwangsläufig, daß selbstverständlich verschiedene Bewußtseinsformen existieren, denn die "Bewußtheit" von Pflanzen, Tieren und Menschen unterscheidet sich qualitativ, daß aber allen lebenden Wesen ein gleicher funktionaler Tatbestand "Bewußtsein" eignet als aktiver Zustand der Wahrnehmungs-, Repräsentanz- und Auswertungssysteme. Bewußtsein meint also vor allem auch den "Wachzustand", weshalb das "Aufwachen" jeden Morgen so manchen Fingerzeig zu liefern vermag. Die Introspektion zeigt dabei, daß "das Bewußtsein zurückkehrt", sprich, in einem seriellen Prozeß die verschiedenen, die jeweilige Bewußtseinsform bedingenden Zentren im Gehirn wieder vernetzend aktiviert werden, etwa so, wie in einem großen Gebäude nach und nach die Lichter angehen. Am Ende dieses Prozesses finden wir uns als diejenigen wieder, als die wir eingeschlafen sind – glücklicherweise gibt es da durchaus ein "Kontinuum", sonst müßten wir uns jeden Tag ganz neu erschaffen!

Dieses "Kontinuum" aber ist etwas anderes als das funktionale Bewußtsein an sich, es ist bereits "Bewußtsein von etwas" in der jeweils entsprechenden Bewußtseinsform. Daraus folgt: der Begriff Bewußtsein meint zunächst kein materielles Substrat(1), sondern lediglich einen bestimmten Zustand einer "Hardware-Organisation": der Computer kann nur "etwas" berechnen, wenn er mittels von außen zugeführter Energie eingeschaltet ist; seine Systeme und deren Funktionsfähigkeit sind das eine, das andere sind die Daten, die in diesen eingelagert sind und verarbeitet werden. Leider decken wir meist das Bewußt-Sein und das "Bewußtsein von etwas" mit demselben Wort ab, und das führt zur Verwirrung, und diese Verwirrung wird noch dadurch stark vergrößert, daß es sich dabei um sehr verschiedene "Bewußtseinsformen von etwas" handelt.

Damit komme ich zu dem Ergebnis, daß wir im Prinzip allen lebendigen Organismen Bewußtsein im Sinne des "Einschaltzustandes eines Reaktionssystems" zusprechen müssen, daß aber selbstverständlich die Bewußtseinsformen durch die Reihe der Arten sich qualitativ verändern – vom rationalen Bewußtsein des Menschen über das emotionale Bewußtsein der Tiere hin zu den "niederen Formen" der instinktiven oder gar vegetativen "Bewußtheit". Die meisten Menschen verstehen nun unter Bewußtsein nur die rational-menschliche Form, aber zumindest den Tieren können wir ihre eigene (und die unsere unterfütternde) Form der Bewußtheit als Empfindungsbewußtsein sicherlich nicht absprechen – insofern sie es als selbstinterpretierende Individuen sind, die auf Außen- und Innenreize reagieren. Die "niedrigeren" Formen kommen für unser Thema insofern weniger in Betracht, als es hier nicht die Individuen sind, die die Reizauswertung anleiten, sondern diese genetisch festgelegt ist. Ab dem Emotionalsystem aber steht den Lebewesen eine gewissen Bandbreite von Selbstbewertung von sensorischen und Innensignalen zur Verfügung, und dies meine ich, ist es im eigentlichen, was wir unter Bewußtsein verstehen.

Diese Ableitung versteht sich zunächst als eine rein "phänomenale", indem sie an vorhandenen Bewußtseinsformen ihr Begriffsverständnis abzuleiten versucht. Eine andere Frage kann dann nun dahin gehen, ob darüber hinaus noch andere Bewußtseinsformen als diejenigen lebendiger System denkbar sind, z.B. maschinelle.

Wenn wir als Bewußtsein bislang die aktive Fähigkeit zur Interpretation von Daten angesehen haben, so werden wir zunächst zu der Feststellung gelangen müssen, daß dann ein eingeschalteter Computer sehr wohl so etwas wie "Bewußtsein" hat. Andererseits sträubt sich da doch sofort "etwas" in mir – irgendetwas scheint da dann doch noch an der Bestimmung von "Bewußtsein" zu fehlen; ich denke, was fehlt, ist jene "fiktive Selbstwahrnehmung" dessen, daß es mein eigenes "Ich" ist, dem hier etwas bewußt wird: daß diese Fähigkeit mit mir selbst als Selbst "zusammengebaut" ist. Genau dies gilt ja auch noch für Tiere, die mit ihrem Empfindungsbewußtsein sich selbst eben so dunkel gegeben sind, wie es die Empfindung auch nach wie vor am Menschen ist. Jedes Lebewesen ist ein sich in bestimmten Rezeptions- und Reflexionszusammenhängen dynamisch-drängendes und damit sich entwickelndes(2) – wie Sie selbst sagen: es hat einen "Willen" – und auch noch dieses "Willens" ist es sich bewußt, ja, insoweit hat Schopenhauer sicher recht, dieses Wollen und das Bewußtsein des Wollen-Könnens macht es im Kern aus(3); genau dies aber ist nicht auf Maschinen übertragbar. Bewußtsein ist also nach meiner Definition nicht nur der Einschaltzustand einer informationsverarbeitenden Hardware, sondern es ist vor allem auch Selbst-Bewußtsein aus eigener Aktivität. Nur so wird innerhalb der jeweiligen Wahrnehmungs-, Repräsentations- und Interpretationsbandbreite ein eigenständiges und von Fremdvorgaben unabhängiges Bewußtsein möglich. Künstliche Bewußtseinsformen ohne diese beiden letzteren Bedingungen bleiben grundsätzlich "künstlich" und abhängig vom Programmierer, sie sind also nur bewußtseinsähnlich.

Nach meiner Theorie verfügt der Mensch der Möglichkeit nach gleichzeitig über drei verschiedene Bewußtseinsformen: das emotionale, das er mit den Tieren teilt, das rational-verstandesmäßige und das rational vernunftmäßige, die in individuell verschiedener Weise entwickelt werden und zusammenarbeiten. Diese verschiedenen Bewußtseinsformen werden also erzeugt von ihren je eigenen Interpretationszentren ("Vermögen": Ratio als Verstand und Vernunft, Emotio), die wiederum schichtweise und seriell-parallel vernetzt aufeinander aufbauen. Rationales Bewußtsein ist nicht denkbar ohne emotionales, dies wieder ist abhängig von der instinktiven sowie der vegetativen Vernetzung. Fällt bei einem Individuum die jeweils höchste Bewußtseinsform aus, so ist es im Verhältnis zu seinem Durchschnittstyp "bewußtlos". So erscheint uns das Baby ebenso wie das Tier im Verhältnis zum ausgewachsenen Normalmenschen als "bewußtlos", obwohl beide auf ihre Weise regelrecht "bei Bewußtsein" sind.

Die Schwierigkeit ist also hauptsächlich sprachlicher Natur, weil wir "Bewußtsein" und "Bewußtseinsform" nicht auseinanderhalten, sondern meist nur von "Bewußtsein" sprechen, und daher die verschiedenen Formen/Stufen nicht voneinander abgrenzen können, sie verschwimmen dann konturenlos ineinander.

Ein weiteres sprachliches Problem bereitet der Begriff auch deshalb, weil er jedenfalls im Deutschen (Englischen und Französischem) im Wortstamm vom "Wissen" ("consciousness", "conscience" = lat. "mitwissen" [!]) her abgeleitet ist, also zunächst nur die rationale Sphäre abdeckt.(4) Wissen in diesem Sinn aber gestehen wir nur dem Menschen zu, und auch von daher haben wir das Tierreich bis heute ausgegrenzt und uns eine Sonderstellung im Hinblick auf Bewußtsein eingeräumt.

Insoweit läßt sich ein weiteres Argument heranziehen, das wieder deutlich gemacht zu haben Peter Singers(5) Verdienst ist: Von Bewußtsein sollte dort gesprochen werden, wo das lebendige Individuum durch eigene Reflexion erfährt, daß es selbst Leiden ausgesetzt ist. Dies aber gilt erst mit der reflektierten Emotio als der Selbstwahrnehmung von Empfindungen im Individuum. Weder die niedrigeren Tierarten (wohl etwa von den Reptilien abwärts) noch Insekten und Pflanzen verfügen darüber – und noch weniger Computer.

Für mich kristallisiert sich damit nun folgender Begriff von Bewußtsein heraus:

1. Einschaltzustand eines Reaktionssystems und

2. individuell wahrgenommene Selbstauswertung der aktiven und passiven Bezogenheit.

Zum Bewußtsein gehört mithin vor allem ein Bewußtsein von sich selbst, also insbesondere die heute vieldiskutierte Frage nach dem "Ich" und dessen Konstitution. Insofern scheint mir der gesuchte "Kern des Bewußtseins" identisch zu sein mit dem "Ich-Bewußtsein", wie hell (rational) oder dunkel (emotional) dies auch sein mag. Zu meiner Auffassung vom Ich darf ich hier aus meinem Artikel "Was ist Metaphysik" zitieren:

"Jedes Vermögen ist eine synthetische Reaktions- und Aktionsweise des Innen gegenüber dem Außen, vom Innen dem Außen abgelernt, weil das Außen in seiner gleichen oder ähnlichen Wiederholung sich aufgrund dieser zwei Faktoren etwas ablernen läßt. Da aber die Synthetik der Kommunikation von außen nach innen zunimmt, und dadurch der Zusammenhang zwischen dem Außen und dem Kommunikationszentrum indirekt wird, muß die lebendige Verbindung zwischen Außen und Innen gewahrt bleiben. Dazu bedarf es eines synthetischen Mittelpunkts auf Basis neuronaler Funktion: die in der Abgrenzung von anderem Seienden gegebene Einheit eines Seienden erfordert notwendig, daß das führende synthetische Kommunikationsvermögen mit dem synthetischen Mittelpunkt in Eines gesetzt ist. Das Bild für dies In-Eins-Gesetztsein ist die Kugel. Was wir "wissenschaftlich nachweisend" für Galaxien, Sterne, Planeten und die Gravitation behaupten, das nämliche gilt für uns selbst: das Wesen der Kugel ist es, mit ihrer äußeren Hülle in das Umgebende für sich abgegrenzt hineinzuragen; ihre Wirkungen auf das Umgebende und die Wirkungen des Umgebenden auf sie fallen so aus, "als ob" sie aus dem inneren Zentrum als dem Mittelpunkt der Kugel stammen bzw. auf dieses wirken. Zentrum und Oberfläche sind so zwei Bestandteile der Kugel, und doch ist die Kugel Eines, eine in sich geschlossene Einheit. Ebenso verhält es sich mit jedem Vermögen des Seienden und dem élan vital.(6) Die geschichteten Vermögen vom Instinkt bis zur Vernunft, die jedes Lebewesen mit dem Außen verbinden und mit diesem kommunizieren, ver-mitteln dem Zentrum dieses Außen, indem durch diese Vermögen die Ergebnisse der Sinnesorgane interpretiert werden. Das e.v.-Zentrum ist nichts anderes als jener Wirkungsmittelpunkt der Kugel, den wir beim Menschen "Ich" des Verstandes, "Ich" der Vernunft bzw. in der Doppelreflexion "Ich-Ich" nennen, auf das der Organismus Mensch mittels seines jeweils führenden Vermögens seine Erlebnisse und Handlungen bezieht. Aus der Konzentration des Ich-Zentrums gewinnt er seine "Kraft", und aus ihm heraus wirkt er seine Handlungen. Dieses Zentrum ist ein ebensolches "Als Ob", eine ebensolche Fiktion, wie es das Massezentrums eines Sternes ist – und doch sind beide in ihrer Weise ganz real: als Wirkungszentren. Alles, was ist in dieser Welt, ist in übertragenem Sinn von solcher Kugelform, und damit von solcher Zweiheit in der Einheit. Dieses Schwanken zwischen den beiden Polen der Einheit exerziert exemplarisch bereits das Licht, indem es sich teils als Welle (Energie – élan vital), teils als Korpuskel (Masse – Oberfläche) verhält – was bis heute noch nicht in eine einheitliche Auffassung gebracht ist, sondern nur und gerade in dieser Zusammensetzung verstanden werden kann.

Jeder mögliche Typ Mensch läßt sich aus dem Zusammenspiel zwischen seinen Vermögen und dem Sitz der Sphäre der Innerlichkeit verstehen. Die epigenetische Entwicklung des menschlichen Geistes bringt je nach Begabung, Umwelt und deren Tradition individuell die unterschiedlichste Vernetzung der Vermögensschichtung zwischen Emotio, Verstand und Vernunft hervor. Dies führt notwendig zu verschiedener Zentrierung des Ich – und so folgen die Menschen entweder ihren Trieben, ihren Gefühlen, ihrem Nutzen, dem Ideal, dem "Heiligen", oder in chamäleonartigem Wechsel zwischen den Kategorien allem zugleich. Daß dabei die Mehrheit der Menschen noch heute verstandes- und nicht vernunftgeprägt ist, läßt sich schon daraus ersehen, daß der Aberglaube, also die mythischen Vorstellungen des Verstandes, noch weitaus verbreiteter ist als die metaphysischen Vorstellungen der Vernunft."

Das Ich des Menschen setzt sich somit – entsprechend den beiden in ihm vorhandenen Bewußtseinsformen Emotio und Ratio – aus den emotionalen und rationalen Anteilen zusammen. "Hell" wird dieses Bewußtsein im Unterschied zum Tier durch die Sprache als das Eine des Verstandes; dazu ein weiteres Zitat aus meinem Text "Das Gefühl für das Schöne":

"Die Dinge in unserem menschlichen Sinne kristallisieren sich erst heraus als eine vertikal-integrierende Eigenleistung des Verstandes: in der Verbindung der verschiedenen Eigenschaften der unterschiedlichen Sinnesergebnisse zu einem Wirkungsträger. Diese Zusammenfassung wird mit einem eigenen Begriff belegt, in einem eigenen Gehirnbereich repräsentiert und vom Verstand selbst bewertet (zunächst unter Anleitung der Emotio). Grammatik ist das Zueinanderstellen der Begriffe und damit die Bemächtigung von Welt mittels Sprache als Verstand. Lassen Sie mich es im Bild sagen: Worte sind die Fackeln, in deren Licht uns erst die Dinge erscheinen.

An dieser Nahtstelle tritt auch dasjenige hervor, was der Mensch als sein ‚Ich‘ bezeichnet: die Fähigkeit des Verstandes, Dinge als Wirkungsträger zu identifizieren, führt per se ipsum dazu, auch sich selbst, die eigene Person als Wirkungsträger und Handlungsmittelpunkt zu erkennen und unter einem eigenen Begriff zusammenzufassen: das ‚Ich‘ als Träger und ‚Inhaber‘ der Selbstwahrnehmung einschließlich des Fühlens wie der Datenspeicherungen des Verstandes."

"Träger" von Bewußtsein sind also die Vermögen Emotio und Ratio, deren Unterlage von Instinkt und Vegetativum gebildet werden, welche sich wieder auf ihre neuronalen Bestandteile "reduzieren" lassen. Die mehrfache Schichtung und serielle Vernetzung scheint mir damit gleichzeitig zu verdeutlichen, daß sich die Bewußtseinsphänomene auf der Ebene des Geschehens am einzelnen Neuron nicht werden auffinden lassen ebensowenig wie in reinen "Netzstrukturen"; vielmehr ist die individuelle Interpretation bedingt durch Zentrale-Bildungen zur Auswertung von Information. Ohne das Abgreifen der chemischen Konzentrationen der Neurotransmitter durch das limbische System und deren Reflexion (Thalamus?) keine Selbstempfindung und Empfindungsbewußtsein; ohne Begriffsbildung als eigenständige Rezeption, Reflexion und Interpretation (rationaler "Bewußtseinsspiegel", Kurzzeitgedächtnis) kein Ich und kein "helles" Bewußtsein.

I. Fuzzylogik

Dieses Prinzip der Fuzzylogik überzeugt mich sehr, da es sicherlich auch schon der Wahrnehmung lebendiger Systeme zugrundeliegt (und in meiner Auffassung der individuellen Wahrnehmung enthalten ist): dieses Prinzip arbeitet ja damit, daß die Auswertung verschiedener Parameter nicht zu 100 % erfüllt sein müssen, sondern, sagen wir beispielsweise etwa bei fünf verschiedenen Parametern eine 70 %-ige Übereinstimmung genügt. Da diese 70 %-ige Übereinstimmung mit Sicherheit wesentlich schneller festzustellen ist als eine ganz genau 100 %-ige, die sich sehr stark bereits mit Einzelheiten des Wahrzunehmenden befassen müßte, da andererseits ein einziger Parameter zur sicheren Identifizierung nicht ausreicht, also mindestens zwei oder drei 100 %-Feststellungen zu treffen wären, ist eine Fuzzy-Logik demgegenüber weitaus im Vorteil, und in der Treffsicherheit kaum geringer.

Nicht von ungefähr scheint es mir bei unserem Verstand ja genauso zu sein, oder anders gesagt, das macht ja nach meiner Auffassung den Verstand genau aus: die Auswertung verschiedener Sinnesergebnisse auf einer Ebene. Die Sinneszentren scheinen mir dabei bereits von vornherein bei der "Ersterkennung" mit einer Art "Fuzzylogik" zu arbeiten, denn die Sinne, insbesondere der Augensinn, werten im ersten "Zugriff" die Wahrnehmung nach den "vorspringenden Seiten" des Wahrzunehmenden aus (s. meinen Text "Bewußtheit") – was aber ist das anderes als eine "ungefähre", also etwa 70%-ige Feststellung von Übereinstimmung? Und dies kombiniert mit allen Sinneszentren, für die das Wahrzunehmende etwas hergibt?

Man könnte sogar soweit gehen, zu behaupten, unserer Fähigkeit zu Vergleichen und zu Analogisieren beruht genau darauf, daß auch unsere neuronalen Fähigkeiten mit einer solchen "Fuzzylogik" arbeiten. Analogie und Assoziation sollten sich deshalb sehr schön mit der Fuzzylogik erklären lassen, indem dabei "möglichst gut" (!) passende neuronale Muster "zugewandt" werden, weil wir (zu Recht) annehmen, daß "sich Gleichendes" (!) in vielen Fällen sich auch ähnlich verhält.

II. "Dritter Faktor"

Indem ich mich auf den von Ihnen angeführten Satz von Marvin Minsky zur "Beschreibung des Bewußtseins" beziehe, daß uns dies nicht richtig gelänge, bin ich mit meiner eigenen Definition in meiner letzten Antwort noch nicht ganz zufrieden: "Einschaltzustand eines individuell auswertbaren Reaktionssystems" sagt zwar etwas über die "Systemvoraussetzungen" aus, beschreibt aber nicht, was Bewußtsein ist.

Latenz, Hintergrundwissen, Erwartungshaltung: dies scheint ein drittes Erfordernis für Bewußtsein zu sein – wir wenden auf der Basis des Vorwissens jedem Wahrnehmen einen mehr oder wenig weiten "Vorfilter" zu, je nachdem, in welchem Konnex wir uns zu einer gegebenen Wahrnehmungssituation befinden. Wenn wir auf der Straße gehen und quasi "alles zugleich" wahrnehmen, sehen wir eigentlich "nichts", sondern registrieren in einem "Darüberhinweggreifen" all dasjenige, was wir "auf der Straße" erwarten können. Begegnet uns von außen ein ungewöhnliches Sinnesereignis, oder stellen wir uns selbst ein konkretes "Wahrnehmungsziel", engen wir die Wahrnehmungsfilter und das Hintergrundwissen wieder entlang der vorbekannten Erwartung ein. Bewußtsein im menschlichen Sinne scheint also als dritten Faktor zu benötigen ein ständiges Bereitstellen und Filtern von Vorinformation: ohne das Entgegenkommen der Erinnerung (s. Graphik in "Bewußtsein") wäre uns das Wahrgenommene eben gerade nicht bewußt; vielmehr würden wir hier etwas "Fremdes" registrieren und versuchen, im Wege von Vergleich und Analogie (Fuzzylogik) uns diesem anzunähern. Wie soll diese automatische Zuwendung von "Kontext" und dessen Filterung ("Scheinwerfer") auf Maschinen übertragen werden?

Dies Dritte teilen wir aber auch schon mit den selbstempfindenden Tieren: auch dort läßt sich bereits eine individuelle Vorerwartung feststellen, die additiv-horizontal bestimmte Ereignisse mit bestimmten Folgeereignissen verknüpft und die entsprechende emotionale Reaktion aufruft (etwa den Pawlowschen Effekt). Auch hier haben wir bereits auf emotionaler Ebene so etwas wie ein "Umgebungsbewußtsein", das sich aus einem "Strom von Sinnessignalen" und deren Bekanntheit/Unbekanntheit zusammensetzt, also wiederum einen bekannten "Kontext" voraussetzt.

"Bewußtsein an sich" ist von daher gesehen ein ebensolches "Unding" wie ein "freier Wille an sich" – Wille ist immer nur Wille, indem er "Etwas" will, und Bewußtsein gibt es nur von "Etwas", nicht "an sich". Der "Einschaltzustand" besteht mithin vor allem in einem steten "Datenfluß", der dem wahrnehmenden Individuum selbst unbewußt, latent bleibt; die "Latenzschwelle" – also was in die bewußte Wahrnehmung dringt – wird dabei zwischen den Individuen insbesondere im Hinblick auf die kategorielle Ausstattung stark differieren: der emotionale und der Verstandestyp werden von den äußerlichen Wahrnehmungen, aber auch noch von den körpereigenen Signalen aus Vegetativum und Instinkt stärker affiziert werden als der Vernunfttyp. Es muß also einen Zusammenhang zwischen dem Sitz des Wertezentrums und dieser Latenzschwelle geben.

Jedenfalls: dies nur "latent bewußte" der Wahrnehmung gehört dem Bewußtsein selbst zu, ist etwas anderes als das berühmte (etwa Freudsche) "Unbewußte", insofern dies latent in der Wahrnehmung vorhandene jederzeit "unter der Kontrolle" der Wahrnehmung steht und durch unübliche Veränderung bzw. "Aufmerksamkeit" ("Scheinwerfer") von der Latenz in die Präsenz wechseln kann.

Ganz offenbar haben wir es hier in unserem Gehirn mit noch völlig unaufgeklärten Prozessen zu tun, wie diese Bereitstellung von Hintergrundwissen und Wahrnehmungsfiltern funktioniert – etwa ähnlich demjenigen Phänomen "ein Stockwerk tiefer", daß es ja noch völlig unbekannt ist, wie es das Gehirn schafft, die durch die Augen auf dem Kopf stehende Welt "wieder auf die Füße zu stellen" ...

Bewußtsein selbst wäre also nun zu definieren als ein Signalstrom zwischen einer individuellen Auswertungsinstanz (emotionales oder/und rationales Ich) und sensorischen Wahrnehmungssystemen, die anhand einer Fuzzylogik die eintreffenden sensorischen Ereignisse automatisch im parallelen und seriellen Durchgang durch diverse Repräsentanzsysteme "vorerkennen", und dies im ständigen Abgleich (wechselwirksam rückgekoppelt) mit dem vorhandenen und vorbewerteten Hintergrundwissen, welche Automatik einerseits dem Wahrgenommen mit dem dafür vorhandenen "Kontext" entgegenkommt und gleichzeitig die Latenz bzw. Präsenz des Wahrgenommenen regelt. (Gewiß keine "einfache" Definition ...)

III. Organisatorische Invarianz

Hier stellen Sie selbst die meisten Argumente zusammen, was menschliches und maschinelles Bewußtsein unterscheiden muß; ihr Hauptargument ist durchaus auch das meine, in dem sich alle Einzelargumente zusammenfassen lassen: hie ein selbstaktives lebendiges System samt seiner Phylo- und Ontogenese (genetische und kulturelle Tradition), dort ein passives und willenloses System, das auf äußere Energiezufuhr und Vorprogrammierung sowohl in Bezug auf "Hintergrundwissen" wie auf "Lernalgorithmen" wie auf "Zielkorridore" angewiesen ist.

Nicht teilen würde ich Ihren Ansatz, "daß sich Geschichte nicht wiederholt". Nur weil sich im Anorganischen Gleiches wiederholt, konnte überhaupt lebendige Informationsspeicherung entstehen (im stets Regellosen, sich nicht Wiederholenden würde eine Informationsspeicherung keinen Sinn machen). Und wie schon Goethe wußte, wiederholt sich auch im kulturellen Dasein des Menschen alles, jedenfalls in seinen Grundformen, es ändern sich lediglich die "Quantitäten", nicht aber die Qualitäten (letztere werden allerdings durch die kulturelle Evolution erweitert, was aber nichts an der Wiederholung der jeweils vorhandenen ändert). Die Quantenphysik und ihre Unschärferelation läßt sich dabei nach Auffassung fast aller Wissenschaftler keinesfalls auf den Meso- oder den Makrokosmos übertragen.

Und insofern die Bewußtseinsphänomene – wie bereits herausgestellt – sich keinesfalls auf neuronaler Ebene (also im Bereich elektrischer und chemischer Phänomene) aufklären lassen werden, weil sie vielmehr Ergebnis qualitativ weit höher anzusiedelnder Prozesse sind ("mesokosmisch"), können die Erkenntnisse der Quantenphysik auch keine Rolle für das Bewußtsein spielen. Vielleicht könnte man soweit gehen zu sagen, und zwar in genauer Analogie zum Anorganischen: Bewußtsein ist nur möglich, weil sich "Geschichte" wiederholt?!

Wie sehr die "unscharfe" oder "mehrwertige" Logik meinen eigenen Auffassungen nahekommt, ist oben schon beschrieben; den in der Wissenschaft häufig anzutreffenden Glauben einer "einzigen vollständigen Theorie", "die also die Geschichte des Seins bestimmt", halte ich für ebenso bedenklich wie etwa den Heideggerschen Glauben an die "Lichtung des Seins"... (im Kern ist es das gleiche: ein Glaube, in dem vor allem Metaphysik enthalten ist, den der Normalmensch mit "Religion" abdeckt.)

Es gibt dann nämlich nur zwei Möglichkeiten:

a) Alles im Kosmos Mögliche ist bereits da, wir haben es nur noch nicht vollständig erkannt. Damit erklären wir das Hier und Heute willkürlich zum Höhe- und Endpunkt einer Entwicklung ... diese Art Anthropozentrismus ist in verschiedenen Gewändern uralt.

b) Wir glauben, der Natur mittels einer "Theorie" (!) alle ihr möglichen weiteren Entwicklungsschritte "vorschreiben" zu können – wie soll sich das mit den emergenten Phänomenen von der Anorganik zum Leben zum Geistigen vereinbaren lassen, die wir bis heute in Wirklichkeit eben gerade nicht erklären können? Wir können bislang nur die Emergenz dieser Phänomene gegenüber ihrem Vorbestand konstatieren – und da wollen wir etwas über die Zukunft aussagen, ja ihr etwas "vorschreiben"?

Wir kennen uns selbst nicht, etwa was unser Bewußtsein und unsere Intelligenz anlangt, aber der Natur, deren Teil wir sind (und die wir, in einem weiteren Begriff genommen, seither mitbedingen), wollen wir mit diesen unseren uns selbst unbekannten Eigenschaften vorschreiben, was sie in Zukunft zu tun und zu lassen hat?(7)

Gleichzeitig wissen wir: Je umfassender eine Theorie sein soll, desto allgemeiner muß sie sein, das heißt aber auch, desto weiter muß sie sich vom real Seienden entfernen! In einer elfdimensionalen "Weltformel" der "Strings" mögen sich zwar alle Phänomene "mathematisch" zsammenhängend beschreiben lassen – was aber sagt das über den von Menschen geschaffenen kulturellen Mesokosmos aus, der zumindest auf Erden das Dasein in immer stärkerem Maße bestimmt? Was kann das aussagen über einen doch immerhin denkbaren qualitativen weiteren "Quantensprung" in der Informationsverarbeitung durch lebendige Systeme (und deren Hilfsmittel), wenn wir den Sprung vom Tier zum Menschen und dort den Wechsel vom Verstand zur Vernunft weiter nach vorne "verlängern"?

Müßte dann nicht jede noch so schöne "ToE" (der Vernunft) auf den Abfallhaufen der Geschichte geworfen werden ebenso wie das ptolemäische Weltbild des Verstandes?

Zuletzt scheinen Sie mir hier einer ganz ähnlichen Auffassung zu sein, wenn Sie die Suche nach einer vollständigen Theorie eher als eine "motivierende Losung" bezeichnen, da sehen Sie mich ganz auf Ihrer Seite: das Wissen um die Unvollendbarkeit einer solchen Theorie sollte natürlich nicht davon abhalten, all das rational zu erklären zu versuchen, was "hinter uns" in der Vergangenheit war bis zu uns selbst hin – denn wir selbst sind ja ein Stück dieser unvollendeten Geschichte und Schichtung, und so wird eine reduktionistische Welterklärung per se ipsum im Hinblick auf einen gemeinsamen "Ursprung" alles Seienden auf den Versuch einer vereinheitlichenden "ToE" hindrängen.

Wenn ich Sie richtig interpretiere, führen Sie nun eine Unterscheidung zwischen maschinellem und menschlichen Bewußtsein so ein, daß es Ziel der KI nicht sei, konkret menschliches Bewußtsein auf Maschinen zu übertragen, sondern daß das Prinzip der "Organisatorischen Invarianz" "nur" darauf ziele, ein dem menschlichen gleichartiges Bewußtsein hervorzubringen – etwa in dem Sinne, daß physikalisch vergleichbare "Baugruppen" bei vergleichbarer Organisation ("Verdrahtung" und mögliche Operationen) auch vergleichbares Bewußtsein erzeugen.

Sodann unterscheiden Sie zwischen Intelligenz und Bewußtsein in dem Sinne, daß es der KI vor allem um eine der menschlichen analoge Informationsverarbeitung gehe, die aber nicht mit Bewußtsein verwechselt werden dürfe (sehr einverstanden: es wird ja wohl niemand bestreiten, daß "maschinelle Rechner" dem menschlichen Gehirn in der Ausführung verschiedenster "Operationen" weit überlegen sind). Sind aber wirklich "die Maschinen selbst" intelligent, wenn die von ihnen verwandten Algorithmen durchweg vom Menschen implantiert sind? Wäre eine Maschine nicht erst dann "selbst" intelligent zu nennen, wenn sie etwa selbst "auf den Gedanken käme", statt einer zweiwertigen eine mehrwertige Fuzzylogik anzuwenden?

Ihre sodann folgenden "negativen Definitionsversuche" von Bewußtsein scheinen sich meiner Meinung nach weniger auf das Bewußtsein "als solches" als vielmehr auf verschiedene seiner "Konstituenden" zu beziehen, insbesondere auf das Gedächtnis, das doch keinesfalls selbst "das Bewußtsein ist". Insgesamt möchte ich mich hier auf meine eigenen Ihnen bereits mitgeteilten Vorstellungen (s. Grafik) des "Bewußtseinsstromes" beziehen:

"Diskontinuität" des Bewußtseins: das "Kontinuum" besteht nicht in den Gedächtnisinhalten selbst, sondern in der negativen und positiven Bewertung derselben, sehr richtig ist das Speichern von Wahrnehmungen nicht Selbstzweck, sondern für das vorwegnehmende (daher alle Vor-Urteile!) Abschätzen von Handlungsfolgen da. Die "Narrativierung" ist die Interpretation und Einordnung des fluktuierenden Geschehens in einen individuellen "Zusammenhang", der insofern immer erst a posteriori geleistet werden kann – und aus der Natur der Sache heraus sich nur für den Interpreten so darstellt, für jeden anderen Beobachter wieder anders. Dies als "Fehler" zu bezeichnen, halte ich für falsch, denn für den evolutionären Erfolg des Individuums kommt es nicht auf objektive Richtigkeit seiner Ich- und Wirklichkeitsinterpretation an, sondern auf deren subjektive Tragfähigkeit.

Daß sich daraus eine intersubjektive Kommunikation und Logik entwickelt, verdankt sich der Abstraktion der Vernunft über den Verstand hinaus, indem dadurch das "Wesentliche" herausgearbeitet und vom Zufälligen des sinnlich Momentanen geschieden wird. Empfindungen anderer können wir nur "ungefähr nachvollziehen", deren abstraktes Denken aber läßt sich auf objektive Richtigkeit hin überprüfen. Die Begriffe der Vernunft sind "meta-physisch", diejenigen des Verstandes dinglich – und damit gelangen wir zu einem weiteren problematischen Punkt: "Bewußtsein ist nicht essentiell für Begriffsbildungen", sagen Sie; diese These steht und fällt aber mit der Definition dessen, was Sie unter "Begriff" verstehen wollen. Ihre Definition scheint dabei "sehr weit" zu sein, denn Sie schreiben den "Begriff von interessierenden Sachverhalten" allen Lebewesen zu. Darunter verbergen sich gleich mehrere Schwierigkeiten:

1. "Interessen" können, insoweit ist Peter Singer zuzustimmen, nur Lebewesen haben, die über Empfindung verfügen – nur sie gehen ihren "Interessen" an Hand eines individuellen Maßstabes (Emotio) nach.

2. Der Begriff eines "Sachverhalts" setzt den "Begriff von Sachen" bereits voraus, ansonsten wäre das "Verhalten" von "Sachen" zueinander nicht verstehbar; Tieren (die Menschenaffen mal außen vor gelassen) sind aber Sachen im Sinne von Dingen völlig unbekannt, eben weil sie diese nicht "auf den Begriff" bringen können. Tiere haben "nur" einen "Begriff" von Kausalität, und das in jeweils verschiedener "Helligkeit", daß ein bestimmtes Ereignis häufig an ein anderes "gekoppelt" ist, und dieser Zusammenhang ist konditioniert. Und auch noch dieses von Ihnen konstatierte tierische "Begriffsverständnis" setzt "Bewußtsein" insoweit voraus, weil dies nur im "Wachzustand" (s. den "Einschaltzustand) solcher Tiere vorhanden ist.

3. Was der Mensch unter "Begriff" versteht, ist mithin notwendig an das Vorhandensein von Bewußtsein gebunden, weil erst im Verstand des Menschen Dinge, Sachen erscheinen – Begriffsbildung als die Identifikation von Wirkungen und deren Trägern ist das Wesen des Verstandes – und ein solcher ist ohne Bewußtsein nicht vorhanden. Das Wesen der Sprache ist es nicht, "für einen Begriff ein Wort zu setzen", das quasi nur so nebenbei obenauf schwämme, vielmehr wird mit der selbständigen Konditionierung sprachlicher Begriffe als Worte die menschliche Dingwelt erst gesetzt.

In allen Fällen handelt es sich beim Begriff "Begriff" also um etwas vollständig anderes – was damit gemeint ist, unterscheidet sich ebenso kategoriell wie die verschiedenen "Vermögen", mit denen "Begriffe" gebildet werden.

Auf dieselbe Problematik stoßen wir bei Ihrer Aussage, Bewußtsein sei nicht notwendig für das Lernen; hier beziehen Sie sich wieder auf die menschliche Form des (mindestens) Verstandesbewußtsein, und schließen dabei, allerdings unausgesprochen, das emotionale Bewußtsein aus. Welches selbstverständlich bei den von Ihnen angezogenen "Lernformen" vorhanden sein muß, und im übrigen auch bei allen tierischen Konditionierungen von der Wahrnehmung eines Schlüsselreizes bis hin zu empfindungsgesteuerten Lernvorgängen bei höheren Tieren da sein muß.

In ebendieselbe kategorielle Problematik gehört Ihre Aussage, Bewußtsein sei nicht notwendig zum Denken – was wohl nicht umsonst im ersten Moment wie ein Paradox klingt ...

Ohne eine vorhergehende Definition des Begriffes "Denken", das selbst noch im Menschen in zweierlei Form vorhanden ist, wird dessen Zusammenhang zum Bewußtsein wohl nicht sichtbar gemacht werden können. Sie identifizieren ohne alle Umstände "Urteilen" und "Denken" – dabei fällen bereits alle selbstempfindenden Tiere Urteile, ohne je selbst zu denken.

"Denken" und "Urteilen" sind jedenfalls meiner Auffassung nach eben gerade nicht identisch:

1. Denken ist an den Menschen gebunden als die dingliche (Verstand) und wesensmäßige (Vernunft) Interpretation und vor allem auch kulturelle Umschaffung der realen Welt.

2. Womit dieser Mensch dann seine Urteile fällt, ist eine ganz andere Frage, nämlich die nach der Durchreflektierung und dem individuellen Sitz der Leitungsebene; Sie haben sicher recht, daß die meisten Menschen ihre Urteile auf emotionaler Ebene, und damit (nach altem Sprachgebrauch) "unbewußt" fällen, aber doch nicht ohne Bewußtsein! Vielmehr zeigt es doch nur eine ungenügende Reflexion an, wenn man die Entscheidung über einen mittels Ratio als Verstand oder gar Vernunft gedachten Sachverhalt dem weit älteren Zentrum Emotio überläßt.

Selbstverständlich wird auch ein rationales Urteilen nie frei sein können von emotionalen Einflüssen (und sollte es auch gar nicht sein, weil die Einschätzung von Situationen immer auch stark von der emotionalen Bewertung fundiert werden muß, um nicht fehlzugehen oder unmöglich zu werden, wie Beobachtungen an Menschen zeigen, bei denen das emotionale System zerstört ist); aber erstens ist nach meiner Definition auch das Empfindungsbewußtsein Bewußtsein (das den Individuen unterschiedlich rational bewußt, oder eben "unbewußt" ist, und zweitens kommt es zuletzt darauf an, welches Zentrum beim Urteilen den Ausschlag gibt – ob dabei emotionale, verstandesgemäße oder vernünftige Werte im Vordergrund stehen.

Noch paradoxer muß aus meiner Sicht Ihre Aussage erscheinen, Bewußtsein sei nicht notwendig für Vernunfttätigkeit (wobei Sie hier Verstand und Vernunft weder scheiden noch überhaupt angeben, was diese Vernunfttätigkeit denn bedeuten soll – dies als "natürliche Denkvorgänge" zu bezeichnen, wird der Sache wohl nicht gerecht, sonst würden die meisten "natürlichen Menschen" nicht so unvernünftig von dieser Welt "denken" ...) Ganz im Gegenteil ist Vernunfttätigkeit ein spätes Produkt der kulturellen Evolution, das die Befähigung zur selbständigen Abstraktion voraussetzt (Rezeption) sowie das In-Beziehung-Setzen der Abstrakta auf einer eigenen Ebene gestattet (Reflexion) – und damit eigentliches Denken. All dies soll ohne Bewußtsein möglich sein?

Logik hinwiederum besteht nach meiner Auffassung nicht in "Vorschriften wie wir denken müssen, wenn wir Wahrheit oder Annäherung an sie als Ziel unterstellen", sondern das Fällen eines Urteiles auf Vernunftebene mit eben den Kriterien, wie sie bereits auf sinnlicher und verstandesmäßiger Ebene gelten: das Feststellen von Übereinstimmung, Ähnlichkeit oder Ungleichheit (s. das berühmte Sokrates-Beispiel des Aristoteles zur conclusio). Logik ist die Vernunfttätigkeit, deren Arbeitsweise, die mit dem Ermitteln, Vergleichen und Zusammenstellen von "Wesensabstraktionen" umgeht, ihre Arbeitsweise und deren "Vorschriften" sind ihr "systemimmanent" wie jedem anderen Vermögen lebendiger Wesen auch. Dabei können wir auch hier (wie etwa bei der Wahrnehmung selbst) von einer "zwei-" und einer "mehrwertigen" Logik sprechen, insofern ersteres nichts anderes als die Gleichheit, letzteres die Ähnlichkeit ist. Insofern aber diese Tätigkeit im Umgang mit Abstrakta auf einer "meta-physischen" Ebene spielt und auf dem rationalen Bewußtseinsspiegel (Kurzzeitgedächtnis) durchgeführt wird, scheint mir die Behauptung einer Vernunfttätigkeit ohne Bewußtsein ein Selbstwiderspruch zu sein.

Ihr Beispiel, dem ich im übrigen völlig zustimme, daß die meisten brillanten Ideen nicht auf einer rational bewußten Deduktion beruhen, sondern immer auch etwas von "Inspiration" an sich haben (und so auch von vielen Wissenschaftlern "erlebt" [sic] wurden – dies ist denn auch sicher ein Hauptgrund für die verschiedenen Formen des "Gottesglaubens" selbst in den Naturwissenschaften) – dieses Beispiel jedenfalls steht sicher nicht dafür, daß Wissenschaftler solche Ideen im "bewußtlosen Zustand" hätten. Wie sollten sie diese Ideen dann festhalten? Was Sie (und ich) damit sagen wollen, ist lediglich, daß hier kein rational bewußter Denkakt der Vernunft vorliegt, durch den eine bestimmte Gedankenkonstellation erzeugt wurde. Alle anderen Schichten des menschlichen Bewußtseins, also insbesondere Verstand und Emotio, sind aber sehr wohl und notwendig bei der "Inspiration" einer brillanten Idee beteiligt – dies ist sicher einer der Hauptgründe, warum sich etwa der Physiker Stephen Weinberg beim Wahrheitskriterium für eine Idee insbesondere auf deren "Schönheit" beruft (was immer er damit sagen will ...)

Meiner Meinung nach hätte Ihre Aussage hier also genau umgekehrt lauten müssen: vernünftige Denkergebnisse sind zwar nicht ohne Bewußtsein möglich, aber sie müssen nicht unbedingt durch das Vermögen Vernunft als rationalem Denkakt erzielt werden, sondern verdanken sich meist suchender Assoziation und Intuition, die auf einer bestimmten rationalen Basis an- und aufsetzt.

Wenn Sie sodann das Bewußtsein als "Analogieoperator" beschreiben, so läßt sich das in gewissem Umfange von mir sicher mittragen, soweit hier jedenfalls von der menschlich-rationalen Form des Bewußtseins die Rede ist; übersehen wird m.E. dabei jedoch, daß unser rationales Bewußtsein in jedem Falle vom Empfindungsbewußtsein mitkonstituiert wird, das sich in dieser glatten Weise nicht in die rationalen Analog- und Vorwegnahme-Operationen einpassen läßt. Unsere individuelle Festverdrahtung, unsere individuelle vegetative und instinktive "Lage" und unsere vorrationalen individuellen emotionalen Konditionierungen, all dies liefert stets und unausweichlich seine Parameter ans Bewußtsein und bestimmt dieses mit, ist Teil dieses Bewußtseins, solange wir "bei Bewußtsein sind", und zwar nicht nur im Hinblick darauf, wovon wir ein Bewußtsein haben, sondern als Mitkonstituenden, daß wir ein solches haben.

Weiter ist mir dabei bedenklich, daß Ihre Definition von Bewußtsein nunmehr damit identifiziert wird, was ich als eine Konstituende dieses Bewußtseins bezeichnen würde: Analog-Operationen vornehmen zu können. Ein funktioneller Teil wird nun als das Ganze genommen. Wie aber schon gesagt, machen jedenfalls meiner Definition nach weder Intelligenz noch Analogie-Operationen dasjenige aus, was wir Bewußtsein nennen, ja, für bloßes Empfindungsbewußtsein, wie wir es bei Tieren antreffen, ist beides nicht einmal notwendig.

Obwohl ich meine, das Bewußtsein weder metaphorisch zu verklären noch mystisch zu überhöhen, ist es mir doch mehr, besser: anderes als "eine Analogwelt auf sprachlicher Basis". Es ist übrigens nicht nur ein sprachliches Problem, wenn Sie einerseits Bewußtsein als den "herstellenden Analogieoperator" bezeichnen, um im nächsten Satz die Ergebnisse dieses Operators, seine Analogwelt, ebenfalls als "das Bewußtsein" zu definieren. Einmal sprechen Sie damit von der Funktion, ein andermal von deren Inhalt, beides kann aber nicht dasselbe sein?

Dieser Schwierigkeit einerseits des funktionellen Festmachens, andererseits des inneren Gehaltes von Bewußtsein in all seinen Formen versuche ich dadurch zu entgehen, daß ich Bewußtsein als einen Zustand auffasse, der sich aus der Vernetzung bestimmter Konstituenden ergibt, und das "als solches" ebensowenig zu fassen ist wie etwa der "Wille" – beides selbst sind "metaphorische" Begriffe "a priori", denen ebensowenig eine "bestimmte und sezierbare Stelle" zuzurechnen ist wie der "Seele".

Diesen Zustand in seiner Komplexität maschinell nachzubauen erscheint mir problematisch, während Sie maschinelles Bewußtsein für möglich halten, und deshalb sind Sie gleichzeitig genötigt, Ihre Definition von Bewußtsein selbst zu verändern und zu funktionalisieren, um es letztlich auf die "Funktion eines faßbaren Teiles" zu reduzieren: der Analogieoperator, den man dann nur noch als "hoch organisierte technische abstrakte Struktur" nachzubauen hätte, um im Wege der "Organisatorischen Invarianz" Bewußtsein zu erzeugen?

Ihre Ausführungen zur Logik in der Medizin, die sich insbesondere mit der praktischen Anwendung der Fuzzy-Logik befassen, habe ich mit großem Interesse gelesen, deckt es sich doch, was jedenfalls das "Verfahren im Groben" anlangt, mit meinen Vorstellungen (die Einzelheiten muß ich schon Ihnen als Spezialisten überlassen!). Jedenfalls kommen Sie im Hinblick auf die Intelligenz von Maschinen zu dem nämlichen Ergebnis, wie ich es oben schon hingesetzt habe: sie sollten die Regeln selbst entwerfen können.

Ihre abwägende Darstellung der Nahziele der KI, zur Wissenserschließung und zur "Leere" aus Ihrer Sicht war für mich sehr interessant und ich habe sie, soweit jedenfalls mein Verständnis hierin reichte, zum allergrößten Teil zustimmend zur Kenntnis genommen; Sie konnten mir damit unter anderem auch zeigen, daß man insbesondere in der Lernfähigkeit und der partiellen Selbstregulation ("Bewertungsrichtlinie") heute offenbar schon weiter ist, als ich selbst annahm.

Die "Intelligenz" von Maschinen, also dem menschlichen Gehirn vergleichbare konkrete Operationen durchzuführen, wird von niemandem und auch von mir nicht bezweifelt werden; und daß hier noch immense Möglichkeiten offenstehen, rationale menschliche Fähigkeiten zumindest analog auf Maschinen zu übertragen, ist ebenso unbestreitbar; im Gegenteil, Computer liefern uns bereits jetzt und noch mehr wohl in der Zukunft Ergebnisse, an die wir ohne diese niemals gekommen wären. Persönlich gehe ich sogar (jedenfalls spekulativ) soweit, daß Computer durchaus ein Instrument des Menschen zur Weiterführung der eigenen kulturellen Evolution sein könnten, indem er dadurch selbst Datenbestände und neue Interpretationsfähigkeiten hinzugewinnt, die einen ebensolchen "Quantensprung" erlauben könnten, wie es derjenige vom Verstand zur Vernunft einst war.

Aber Bewußtsein? Ich stimme Ihnen gerne zu, daß es kein grundsätzliches (wenn auch wohl ein technisches) Problem ist, die menschlichen Bewußtseinskonstituenden einschließlich der Emotio zumindest analog nachzubauen, mit Hintergrundwissen und selbst variierbaren Entscheidungsregularien zu versehen und vertikal zu vernetzen: auch der Mensch besteht aus Materie, die im langen Laufe der Evolution lernte, Bewußtsein hervorzubringen. Gehen wir also einmal davon aus, der "Gehalt des Bewußtseins" bei Mensch und Maschine könnte, zumindest analog, ganz vergleichbar sein und würde bei bestimmten Sinnes- oder sonstigen Reizen zu ganz gleichen "Äußerungen" führen (ein solcher Computer würde dann ja auch "sprechen" können); nehmen wir an, wir hätten unserem Computer bereits auch eine Art Emotio-Zentrum eingebaut, an dem er selbst ablesen kann, ob er sich wohl fühlt oder nicht bei eingehenden Reizen.

Würde dieser Computer wirklich leiden?

Hätte er ein eigenes Bewußtsein dessen, was Leiden ist, was Liebe ist?

Zuletzt ist Bewußtsein vor allem das Bewußtsein der eigenen Lebendigkeit und des eigenen Wollen- und Scheiternkönnens einschließlich des Bewußtseins, dafür jeweils einstehen zu müssen. Wie wollen wir der Maschine diese Eigenlebendigkeit, den Quell unserer Aktivität und all unseres Handelns und Strebens übertragen, wenn wir nicht in der Lage sind, auch nur einen Grashalm zum Leben zu erwecken?

Unser Selbstbewußtsein ist mehr als ein "narratives Ich" – das ist nur das Gefäß unserer Ratio für ihre Art der Interpretation; denn dieses zunächst narrative Ich wird sehr eigenlebendig, sobald der Verstand im Menschen erscheint und zunächst im Verein mit der Emotio die Leitung übernimmt. Diese narrative Fiktion, die sich nicht "greifen" läßt, wird für den Menschen ebenso bedeutsam, wie es für einen Stern sein Zentrum ist: alle Wirkungen aus und auf diesen Stern fallen so aus, als ob sie aus seinem Zentrum stammen. Auch im Stern können Sie das Zentrum nicht finden, und doch ist es ganz real, als Wirkungszentrum – ganz ebenso das Ich. Keine Maschine aber kann je von sich aus wirken wollen, ebensowenig wie sie leiden oder lieben kann; es läßt sich ihr womöglich ein funktionales Ich-Zentrum einpflanzen ähnlich dem menschlichen Bewußtseinsspiegel, aber kein existentielles.

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